Gekoschert

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ANALYSE. Die ÖVP holt die Kickl-FPÖ in eine Regierung nach der anderen – und tut so, als würden ihr nach Sozialdemokraten bald auch Medien keine andere Wahl lassen.

Der ehemalige CDU-Politiker Michel Friedman war am Punkt in der Gedenkveranstaltung gegen Gewalt und Rassismus des österreichischen Parlaments: Da ist eine FPÖ, die nicht die Würde aller Menschen respektiert und für die einige Menschen Menschen zweiter oder dritter Klasse sind. Und da ist eine ÖVP, die sie „koschert“, also in Regierungen holt und damit salonfähig macht, wie man hierzulande zu sagen pflegt.

In der „Kronen Zeitung“ hat der Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) das am Wochenende unfreiwillig deutlich bestätigt: Er, der seiner künftigen Stellvertreterin Marlene Svazek (FPÖ) vor gar nicht allzu langer Zeit attestiert hat, ihren Bundesparteichef Herbert Kickl im Gepäck zu haben, dessen Stil er ablehne, ist dabei, sich auf Schwarz-Blau einzulassen: Es gehe darum, die FPÖ aus einer radikalisierenden Ecke herauszuholen und in den politischen Diskurs hineinzuführen, sagte Haslauer allen Ernstes.

Es ist eine Zumutung: Seit die FPÖ eine rechtspopulistische Partei ist, also seit Jörg Haider, kommt es mit jeder Regierungsbeteiligung von ihr zu einer weiteren Diskursverschiebung nach rechts. Und zwar zu einer nachhaltigen. 2017 sah sich die ÖVP mit Sebastian Kurz gezwungen, sich aufzugeben und sie zu kopieren und sich gegen Migration, Anstand und Europa zu stellen. 2019 schien die FPÖ am Ende zu sein. Jetzt ist sie jedoch stärker wieder da und dabei, die Volkspartei zu erdrücken. Siehe Niederösterreich, wo sie ein ausländer- und wissenschaftsfeindliches Arbeitsprogramm diktiert hat.

Das FPÖ-Problem ist, dass sie Österreich in die vermeintlich glücklichen 1950er und 1960er Jahre zurückführen möchte. Als es noch kaum muslimischen Zuwanderer gegeben hatte, als das Abendland noch das Abendland war. Als von Klimawandel keine Rede war und Geschlechterrollen klar verteilt waren. Als es zwar auch sehr viel Gewalt gab, „aber halt nur häusliche“, also tabuisierte. Im Übrigen war es die Zeit, in der man über die Vergangenheit nicht redete.

Nein, es ist schlimmer: In den 1950er und 1960er Jahren sind Demokratie und Rechtsstaat trotz allem gewachsen. Sie haben sich zum Besseren entwickelt. Jetzt will Kickl zu einem Rückbau schreiten, und zwar im Rahmen eines kalten Putsches: Er würde sich zum Volkskanzler erklären, behaupten, dass ihn der Souverän zu allem ermächtigt hat und zur Tat schreiten – den ORF über eine Budgetfinanzierung ebenso an die kurze Leine nehmen wie die Justiz und vieles andere mehr.

Ebenfalls in einem Interview am vergangenen Wochenende ließ Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) aufhorchen: „Die Vorstellung eines Herbert Kickl als Bundeskanzler ist für mich erschreckend“, sagte sie gegenüber der „Kleinen Zeitung“.

In Wirklichkeit ist es Edtstadler jedoch nur darum gegangen, Medien in Geiselhaft zu nehmen: Man habe jetzt ein Jahr Zeit, die Menschen von der guten Arbeit der Regierung zu überzeugen, sagte sie: „Das muss auch gut kommuniziert werden, ich nehme die Medien nicht aus. Sonst leisten wir jenen Strömungen Vorschub, die extreme Ansichten propagieren.“

Es ist unglaublich: Edtstadler, die in der Vergangenheit gerne auch als Frau fürs Grobe für Kurz aufgetreten ist, verlangt von Medien Regierungs-PR, um im Sinne der ÖVP die FPÖ kleinzuhalten. Nebenbei aber hat sie nichts auszusetzen an der türkis-blauen Koalition in Niederösterreich und der sich abzeichnenden in Salzburg, die im Sinne der Kickl-FPÖ ja ebenfalls dazu dient, diese koscher zu machen. Und hinterher, wenn Blau-Türkis auf Bundesebene angeblich alternativlos ist, macht Edtstadler glatt Medien dafür verantwortlich, die Freiheitlichen durch türkis-grünen-kritische Berichterstattung groß gemacht zu haben? Schaut so aus, dass das der Plan ist.

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