Gefangener der Vergangenheit

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ANALYSE. Karl Nehammer wird zum Verhängnis, nicht mit Kurz und seinen Leuten gebrochen zu haben. Jetzt will die WKStA auch noch die Auslieferung von Klubobmann Wöginger.

Wenn’s läuft, geht alles gut, wenn’s nicht läuft, geht alles schief. Unter Sebastian Kurz hatte die ÖVP einen Lauf, um schließlich jedoch zu stolpern. Unter seinem Nachfolger Karl Nehammer schien sie zumindest einigermaßen Tritt fassen zu können. Das war jedoch ein Irrtum. Mehr und mehr scheint es in die Richtung zu gehen, die Franz Fischler in einem Interview mit der Tageszeitung „Der Standard“ 2017 vorhergesagt hat: Sollte das Projekt Kurz scheitern, werde die Volkspartei zerfallen.

Karl Nehammer signalisierte im Dezember einen Neubeginn. Durch seinen Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) beispielsweise, der eine ziemlich harte Aufarbeitung von Praktiken seines Vorgängers Gernot Blümel (ÖVP) vornahm; es ging um Studien und Inserate bzw. ein „Strukturversagen“ (Brunner). Nehammer selbst stellte Transparenzpakete in Aussicht.

Das war zu wenig: Wie einst Sebastian Kurz einen Neubeginn versprach und sich zu seinem Amtsantritt weitreichende Ermächtigungen durch die Landeshauptleute geben ließ, hätte dies Karl Nehammer ebenfalls versuchen müssen. Auch wenn er selbst Teil der Vergangenheit ist. Das wäre ein Problem, aber kein unüberwindbares Hindernis gewesen. Kurz war vor fünf Jahren auch schon länger dabei.

Karl Nehammer hätte passable Grundvoraussetzungen mitgebracht. Eine aktuelle Umfrage im Auftrag der Gratiszeitung „Heute“ zeigt, dass er wie alle Spitzenpolitiker mit Ausnahme von Bundespräsident Alexander Van der Bellen mehr Menschen negativ auffällt als positiv. In seinem Fall aber ist der „Positiv“-Anteil mit 35 Prozent vergleichsweise sehr groß. Behauptung: Teile der Gesellschaft verbinden mit Nehammer gerade nach Sebastian Kurz einen wohltuenden, weil sachlicheren und gemäßigteren Stil.

Sein Problem ist aber eben, dass er mit Türkis nicht gebrochen hat. Also wird er in den kommenden Wochen und Monaten in Verbindung mit den Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsausschuss (WKStA) sowie dem parlamentarischen U-Ausschuss wohl damit konfrontiert bleiben; zumal da allerhand ausgeleuchtet wird; und zumal da auch noch Leute im Klub wie in der Regierung sitzen, die nichts anderes im Sinn haben, als zu retten, was ihres Erachtens noch vom Kurz-Erbe gerettet werden kann bzw. zu rächen, was dieses ohnehin schon zerstört hat.

Aus Kärnten kam der Hinweis auf die Bestellung von Ex-ÖVP-Landtagsklubobmann und Ulrichsberg-Redner Sephan Tauschitz zum Leiter des dortigen Verfassungsschutzes. Ein weiteres Kapitel türkisen Postenschachers wie ein mutmaßlicher, dessentwegen die WKStA nun die Auslieferung von Fraktionschef August Wöginger begehrt: Ihm wird vorgeworfen, sich beim damaligen Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid, 2017 für die Bestellung eines Parteifreundes zum Vorstand eines Finanzamtes in Oberösterreich stark gemacht zu haben. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Zugegeben: Nehammer hätte schier Unmögliches leisten müssen. Er hätte etwa Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger, die für Kurz alles, ja auch für ein paar Wochen die Funktion der Nationalratspräsidentin erledigte, aus der Regierung werfen müssen; er hätte erreichen müssen, dass Wolfgang Sobotka als Nationalratspräsident und August Wöginger als Klubobmann zurücktritt. Beide stehen ebenso für das System Kurz wie dessen Ex-Mitarbeiter Gerald Fleischmann und Johannes Frischmann, die heute im Klub sitzen. Sie alle hat Nehammer nicht nur bleiben, sondern ganz brutal formuliert auch Teil seines Teams sein lassen; umso mehr trifft nun auch ihn alles sehr direkt, was sie anbelangt.

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