Für die ÖVP läuft‘s

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ANALYSE. Dass Magnus Brunner Kommissar für Migration wird, mag absurd wirken, ist jedoch ganz im Sinne der Volkspartei. Vor allem so kurz vor der Nationalratswahl.

Am besten ist es, wenn man nicht eigens für sich selbst werben muss. Wenn das, was man tut, für sich selbst spricht. In diesem Sinne ist alles gut für die ÖVP: Karl Nehammer muss jetzt nicht betonen, dass er Bundeskanzler sei; in der Hochwasserkatastrophe ist er es. Er muss hier auch nicht krampfhaft eine Position suchen. Im Moment gibt es nur eines: Hilfe koordinieren und Anteilnahme signalisieren.

Okay, das lässt er in soziale Medien so bilderreich dokumentieren, dass es eindeutig wahlkampfmotiviert ist. Unabhängig davon aber kann er im Hinblick auf den Urnengang zumindest weniger verlieren als zum Beispiel in einem TV-Duell wie jenem mit SPÖ-Chef Andreas Babler, in dem er so gar nicht kanzlerhaft wirkte mit seinen Untergriffen sowie Unterbrechungen. Besser für ihn: Wenn jetzt jemand Wahlkampf-Pause hat, dann sind es am ehesten all seine Mitbewerber, allen voran FPÖ-Obmann Herbert Kickl, der bisher als klarer Favorit für den 29. September galt.

Normalerweise könnte man sagen, Nehammer habe Chancen, die Sache zu drehen. In Zeiten wie diesen muss man jedoch vorsichtig sein: Er selbst hat katastrophale Vertrauenswerte, Stimmungslagen sind infolge vieler Krisen gefestigt, wie es auch die Umfragewerte der FPÖ sind.

Aber es läuft gerade für Nehammer und die ÖVP. Auch dass Finanzminister Magnus Brunner EU-Kommissar für Migration wird, kann ihnen nur gefallen. Zugegeben: Im ersten Moment hätte man lachen können. Brunner und Migration! In einem VN-Interview hatte er im Sommer selbstbewusst gesagt, dass Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ihn und seine Erfahrungen kenne. Ja: „Es ist naheliegend, dass der oder die Kandidatin eines Mitgliedstaates nach seinen oder ihren Kompetenzen ein Portfolio bekommt.“ In seinen Fall und von seinem Selbstverständnis her wäre das wohl Budget gewesen. Aber nicht Migration.

Das ist jedoch zu kurz gedacht. Die Kommunikationsexpertin Nina Hoppe gehört zu denen, die gleich weiter dachten: Die CDU-Vertreterin Von der Leyen gebe ihrer Schwesterpartei ÖVP „unerwartete Schützenhilfe für die Nationalratswahlen“, schrieb sie auf X (Twitter). Was dafür spricht: Nehammer und Co. setzen darauf, Freiheitlichen durch das Behandeln von Migrationsfragen Wind aus den Segeln nehmen zu können. Brunner ist ein Parteisoldat. Umso mehr wird das Thema nun in einem größeren Rahmen in ihrem Sinne behandelt; schon allein durch seine Nominierung und in weiterer Folge durch seine Zuständigkeit. „Es geht um eine Neuausrichtung der europäischen Asyl- und Migrationspolitik“, lässt Nehammer dazu wissen.

#Migration und #Inneres@vonderleyen gibt Schwesternpartei @volkspartei unerwartete Schützenhilfe für Nationalratswahlen … #wahl24

— 🇪🇺 Nina Hoppe (@hoppenina) September 17, 2024

Nein, es geht nicht um Lösungen. Die ÖVP, die hierzulande seit gut einem Vierteljahrhundert den Innenminister stellt und im Übrigen alle bisherigen Regierungsmitglieder, die für Integration zuständig waren und sind, ist der beste Beweis dafür. Es kann einer Partei auch reichen, sich tagein, tagaus für Verschärfungen auszusprechen. Damit vermittelt sie erstens, dass sie das Problem angeblich ernst nimmt und zweitens, dass sie für Härte steht. Einfach gestrickten Strategen ist das mehr als genug.

Wie die Wahl ausgehen wird, ist nicht absehbar. Für die ÖVP geht es aber um dies: den ersten Platz oder den zweiten, dann aber knapp hinter der FPÖ und klar vor der SPÖ. Dann hat sie alle Optionen. Zumal sich jetzt schon in der SPÖ eine Gruppe von Leuten, bestehend aus dem Kärntner Peter Kaiser und dem Steirer Franz Lang etwa, formiert, zu der dann auch noch der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig kommt; eine Gruppe, die die Bereitschaft verkörpert, weitreichende Zugeständnisse für eine Regierungsbeteiligung zu machen, sodass Nehammer eine starke Verhandlungsposition hätte. Voraussetzung dafür ist aber eben, dass die ÖVP vor der SPÖ bleibt und nicht weit hinter die FPÖ zurückfällt. Das ist das, worum sie gerade kämpft – Wahlkampf-Pause hin, Wahlkampf-Pause her.

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