FPÖ: Abschied vom „kleinen Mann“

ANALYSE. Mit ihrem Wirtschaftsprogramm vollzieht die Partei eine radikale Neuausrichtung. Von ihren bisherigen Wählern dürfte das nur wenige freuen. Doch dem Standort könnte es gut tun. Und ganz nebenbei auch unter Umständen der SPÖ.

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ANALYSE. Mit ihrem Wirtschaftsprogramm vollzieht die Partei eine radikale Neuausrichtung. Von ihren bisherigen Wählern dürfte das nur wenige freuen. Doch dem Standort könnte es gut tun. Und ganz nebenbei auch unter Umständen der SPÖ.

Seit der Nationalratswahl 2013 ist die FPÖ „die“ Arbeiterpartei: Laut SORA-Analyse kam sie in dieser Gruppe auf ganze 33 Prozent. Während sich die SPÖ, die den Titel einst trug, mit gerade einmal 24 Prozent begnügen musste. Doch das kann sich wieder ändern. Mit ihrem Wirtschaftsprogramm vollziehen Heinz-Christian Strache und Norbert Hofer eine radikale Neuausrichtung. Von wegen EU-Austritt. Als sollte ein für alle Mal klargestellt werden, dass man das nie gefordert habe, steht da wörtlich ein „klares Ja“ zu Europa. Man lese und staune.

Die FPÖ geht zu einer alten ÖVP-Devise über: „Geht’s der Wirtschaft gut, geht’s uns allen gut.“

Viel stärker und umfassender noch fällt die Kursänderung aber in der Steuerpolitik aus. „Sie werden sich noch freuen, was alles möglich ist“, meinte Hofer bei der Präsentation in Anspielung an seinen verhängnisvollen Ausspruch vom Präsidentschaftswahlkampf („Sie werden sich noch wundern …“). Angesprochen waren Journalisten. Wirklich freuen könnten sich bei Umsetzung all der Forderungen zunächst aber Unternehmen und Besserverdienende. Der „kleine Mann“, an den sich die Partei bisher mit Erfolg gerichtet hat (siehe Wahlergebnisse), hätte das Nachsehen. Und das kommt so:

  • Laut Programm sollen direkte Steuern reduziert werden. Im Gegenzug aber soll „stärker auf indirekte Steuern“ gesetzt werden. Zum Beispiel die Mehrwertsteuer also. Das WIFO hat die Wirkung direkter und indirekter Steuern nach Einkommensgruppen untersucht. Ergebnis: Die oberen sind eher von direkten Steuern (wie der Lohnsteuer) betroffen, die unteren eher von indirekten. Im Klartext: Beim untersten Einkommenszehntel ist die Belastung durch Mehrwertsteuer und Co. fast drei Mal größer als beim obersten. Eine weitere Verlagerung würde also besonders die „Kleinen“ schmerzlich treffen.
  • Die FPÖ fordert summa summarum eine 12-Milliarden-Euro-Steuerentlastung. Neun Milliarden Euro davon würden auf drei Maßnahmen entfallen: Halbierung der KÖSt. auf nicht entnommene Gewinne, Senkung der Lohn- und Einkommensteuer sowie der Lohnnebenkosten. Punkt eins geht ausschließlich an Unternehmen. Punkt zwei nur an all jene, die gut verdienen. Arbeiter tun das eher nicht. Im Gegenteil: Laut Statistik Austria beträgt das durchschnittliche Jahreseinkommen bei Männern 25.556 Euro brutto. An Lohnsteuer fallen da monatlich nur 101,17 Euro an. Zum Glück. Einerseits. Andererseits: Eine spürbare Entlastung ist da nicht mehr möglich. Eher ginge das über – in diesem Fall – wesentlich höhere Lohnnebenkosten wie die Sozialversicherungsbeiträge.
  • Wer die Lohnnebenkosten senkt, muss sich jedoch fragen: Sollen die Arbeitskosten insgesamt reduziert werden. Oder soll Herr und Frau Österreicher mehr Netto vom Brutto bleiben. Ersteres dient der Wettbewerbsfähigkeit, zweiteres – zumindest kurzfristig – dem Kontostand des Einzelnen. Die FPÖ zielt mit ihrem Programm eher auf ersteres ab, betont sie darin doch ausdrücklich, dass die Wettbewerbsfähigkeit unter Steuerbelastung, Regelungswut und „Arbeitskostenentwicklung“ leide.

Das ist eine hehre Aufgabe, die sich die Freiheitlichen da vorgenommen haben. Sie sind jedenfalls bereit, ein erhebliches Risiko einzugehen.

Der „kleine Mann“ wird sich zunächst wie gesagt wundern über diese Kursänderung. Geht die FPÖ doch zu einer alten ÖVP-Devise über: „Geht’s der Wirtschaft gut, geht’s uns allen gut.“ Da ist sehr viel dran. Der Punkt ist aus politischer Sicht aber der: Zuerst muss es der Wirtschaft gut gehen; „alle“ müssen unmittelbar vor einer entscheidenden Wahl also noch schnell davon überzeugt werden, dass letztlich auch sie umso mehr profitieren werden. Wenn sie denn nur zuwarten. Das ist eine hehre Aufgabe, die sich die Freiheitlichen da vorgenommen haben.

Sie sind jedenfalls bereit, ein erhebliches Risiko einzugehen: Scheitern sie mit ihrer Überzeugungsarbeit, kann zumindest im Hinblick auf den Urnengang die SPÖ wieder zuversichtlicher werden: Gerade mit ihrem Slogan „Holen Sie sich, was Ihnen zusteht“ hätte sie die Arbeiter dann möglicherweise wieder eher auf ihrer Seite.

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