Ex-Politiker als Totalversager?

ANALYSE. Der Umgang mit Ex-Bundeskanzler Werner Faymann und Ex-Staatssekretärin Sonja Steßl ist entlarvend – und lenkt von den wirklich entscheidenden Fragestellungen ab. 

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ANALYSE. Der Umgang mit Ex-Bundeskanzler Werner Faymann und Ex-Staatssekretärin Sonja Steßl ist entlarvend – und lenkt von den wirklich entscheidenden Fragestellungen ab. 

Spott und Häme ergeht vor allem auf sozialen Medien über den ehemaligen Bundeskanzler Werner Faymann und die ehemalige Staatssekretärin Sonja Steßl (beide SPÖ). Anlass: Er hat sich in Vorbereitung auf seinen künftigen Job als Lobbyist eintragen lassen, sie wird bei der Wiener Städtischen Versicherung anheuern. Von einem „Lobbytaxler“ und einer Profiteurin einer „Günstlingswirtschaft“ ist da beispielsweise die Rede.

Keine Frage: Zu behaupten, Faymann und Steßl seien erfolgreiche Politiker gewesen, wäre übertrieben; am Ende ist sie mit ihm gescheitert. Davon auf ihre gesamte Persönlichkeit zu schließen, ist jedoch entlarvend, untermauert es doch die Darstellung, Politiker seien Totalversager, die ausschließlich Verachtung verdienten. Einmal gefallen, können sie daher nichts richtig machen: Über Alfred Gusenbauer hat man sich zuerst lustig gemacht, als er nach seinem Abgang aus dem Kanzleramt bei seinem alten Arbeitgeber, der Arbeiterkammer, wieder einstieg; und dann, als er u.a. Berater und STRABAG-Aufsichtsratsvorsitzender wurde.

Ex-Finanzminister Josef Pröll (ÖVP) heuerte im Raiffeisensektor an. Auch das passte nicht. Begründung: parteipolitische Nähe. Ähnlich, wie nun bei Steßl: Von ihrer Geschichte her ist die Wiener Städtische Versicherung genauso wenig bürgerlich, wie Raiffeisen sozialdemokratisch. Beide müssen sich jedoch längst auf dem Markt behaupten – also werden Pröll und Steßl auf Dauer ausschließlich an den Zahlen gemessen werden, die sie liefern.

So gesehen ist es auch naheliegend, dass Faymann Lobbyist werden möchte. 

Dafür, sie zu engagieren, gibt es viele Gründe. Einer ist, dass Politiker viel mehr mitbringen, als es ihre Kritiker wahrhaben wollen. Zumindest verfügen sie über exzellente Kontakte und in der Regel auch über ein sicheres Auftreten und eine Redegewandtheit. Meist haben sie außerdem gelernt, Allianzen zu bilden. Das ist nicht nichts; im Gegenteil.

So gesehen ist es auch naheliegend, dass Faymann Lobbyist werden möchte. Wobei man seine Energien besser nicht dahingehend verschwendet, darüber zu ätzen, sondern, aufmerksam zu sein und darauf zu achten, ob wirklich entscheidende Kriterien eingehalten werden; das ist aufgrund nach wie vor mangelhafter Transparenzbestimmungen schwierig genug: Auftraggeber eines Ex-Politikers dürfen nicht unmittelbar von dessen Entscheidungen als Politiker profitiert haben; das wäre ein Gegengeschäft bzw. hätte einen Geruch von Korruption. Und der Ex-Politiker muss von seinen Nachfolgern und sonstigen staatlichen Akteuren, wie Behörden, grundsätzlich gleich behandelt werden wie seine Mitbewerber; alles andere wäre eine ungerechtfertigte Bevorzugung.

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