ANALYSE. Was der Europawahlkampf über die österreichische Innenpolitik verrät. Und: Mit einem „Runden Tisch“ gegen das Verbrenner-Aus 2035 bestätigt der Kanzler gleich mehrere FPÖ-Erzählungen.
„Wenn ich daher von politischen Irrlichtern wie Nehammer oder Kogler als ‚rechtsextrem‘ beschimpft werde, dann trage ich diese Beschimpfung wie einen Orden. Denn das, was sie als böse und rechts diffamieren, ist in Wahrheit nichts anderes als die Mitte der Gesellschaft – und wir Freiheitliche sind die Vertreter dieser Mitte, des Hausverstands, der Normalität und die einzigen, die sagen, was sich andere nicht sagen trauen“, sprach FPÖ-Chef Herbert Kickl beim freiheitlichen Neujahrstreffen im Jänner.
Sein EU-Wahl-Spitzenkandidat Harald Vilimsky wurde vom Wochenende von einem ORF-Redakteur gefragt: „Die Rechtspopulisten und Rechtsextremen im Europäischen Parlament sind sehr zerstritten. Wie überzeugen Sie die Wähler, dass es nicht eine verlorene Stimme ist?“ Vilimsky brach das Gespräch ab und begründete dies später in einer Aussendung damit, dass der Redakteur der FPÖ und ihren Partnern pauschal „Rechtsextremismus“ unterstellt habe. Was nicht korrekt ist.
Die Botschaften, die damit einhergehen, sind so und so: Einerseits widerspricht Vilimsky mit seiner Reaktion der These, dass die Freiheitlichen von Kickl abwärts alle Hemmungen verloren haben; dass sie sich im Wissen, dass sie letzten Endes wohl auch bei der Nationalratswahl auf Platz eins landen werden und es dann für die ÖVP schwierig werden wird, eine Zusammenarbeit zu verweigern, alles erlauben können und es ihnen daher vollkommen egal ist, mit Rechtsextremen in Verbindung gebracht zu werden.
Andererseits überwiegt das Alarmierende: Brisant ist, dass sich Vilimsky eben empört, der ORF-Redakteur habe der FPÖ und ihren Partnern pauschal Rechtsextremismus unterstellt. Und dass er in seiner Aussendung „Konsequenzen für die die (sic!) linken Aktivisten“ im ORF fordert. Als hätte er nur auf eine Gelegenheit gewartet, einen Vorwand zu konstruieren, gegen den öffentlich-rechtlichen Sender loszuschlagen, um sich ihn zurechtzurichten. Es ist entlarvend. Und ein Vorgeschmack darauf, was kommt.
Die ÖVP arbeitet unterdessen weiter daran, eine blau-türkise Koalition nach der kommenden Nationalratswahl in die Wege zu leiten. „EU-Wahnsinn stoppen“ plakatiert die FPÖ im laufenden Wahlkampf. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) würde das mit seinen Parteifreunden nie so formulieren. Sie bringen es aber zum Ausdruck. Zum Beispiel, indem sie ihr Nein zu Renaturierungsplänen eher nur mit „Bürokratie“ begründen, für die „Brüssel“ dabei sorge.
Oder indem Nehammer heute, wenige Tage vor dem Urnengang, einen „Runden Tisch“ mit den Parteifreunden Wirtschaftsminister Martin Kocher und dem steirischen Landeshauptmann Christopher Drexler sowie Vertretern der Industrie im Kanzleramt veranstaltet, um eine Inszenierung gegen das EU-Vorhaben vorzunehmen, Verbrennungsmotoren für Neuwagen 2035 zu verbieten.
Da steckt so viel drinnen, was der FPÖ-Erzählung über die Europäische Union entspricht:
Österreich muss sich gegen die EU zur Wehr setzen. Es ist nicht aktiver, sondern leidtragender Teil davon.
Wie legen den Fokus nicht auf Transformationsprozesse im Sinne des Klimaschutzes, sondern wollen, dass alles bleibt wie gewohnt.
Und unterschwellig: Die Zeiten sind hart genug. Das Auto (bzw. den Verbrenner) lassen wir uns nicht auch noch wegnehmen. Das ist unsere Freiheit.
Sprich: Beim „Autoland“, als das Nehammer Österreich sieht, geht es nicht um die Sorge um den Industriestandort. Es geht darum, einer Masse gerecht zu werden.
Womit indirekt auch eine Weichenstellung einhergeht: Um halten zu können, was er den Leuten hier vermittelt, wird Nehammer, wird die ÖVP nach der Nationalratswahl mit der FPÖ koalieren müssen. Da wird Herbert Kickl, mit dem sie eine Zusammenarbeit ausschließt, eine Hürde sein, die sie bewältigen muss. Es hilft nichts, sie legt es mehr und mehr darauf an: Mit anderen Parteien würden solche Inhalte nicht funktionieren.