Ein weitsichtiger Bürgerlicher

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BERICHT. Mit dem Vorarlberger Ex-Landeshauptmann Martin Purtscher ist ein Mann gestorben, der mit vermeintlich Unpopulärem erfolgreich war.

Am vergangenen Wochenende ist der ehemalige Vorarlberger Landeshauptmann Martin Purtscher (ÖVP) im 95. Lebensjahr verstorben. Populismus war ihm fremd. Als er das Land führte (1987 bis 1997) stieg Jörg Haider (FPÖ) zwar auf damit, ihm selbst aber gelang es ohne einen solchen, bei den beiden Landtagswahlen, die in diese Zeit fielen, bei leichten Verlusten einen Stimmenanteil von gut 50 Prozent für die Volkspartei zu halten.

Das ist bemerkenswert: Purtscher vertrat Standpunkte, die heute unter anderem auch in der ÖVP in dieser Deutlichkeit verpönt sind. Er zählte zu den ersten, die sich für einen EU-Beitritt stark machten. Den Abschluss der Verhandlungen bezeichnete als „das berührendste politische Erlebnis“ seines Lebens.

Purtscher kam aus der Wirtschaft, er war Manager bei einem international tätigen Konzern. Das erklärt vielleicht einiges.

Einmal sprach er sich für eine multikulturelle Gesellschaft aus. Das ist ihm nicht passiert. Er hat es in seiner Rede zur Eröffnung des Jüdischen Museums in Hohenems 1991 getan. Zitat: „Wir können aus den vertanen Chancen lernen, die Einsichten für den Umgang mit den religiösen, kulturellen Minderheiten von heute nützen. Wir können daraus lernen, Minderheiten nicht als Fremdkörper zu sehen, sondern als Bereicherung zu begreifen, gerade in einem traditionellen Einwanderungsland wie Vorarlberg. Das ist leicht gesagt, aber bei weitem nicht so leicht zu leben. Und doch bin ich überzeugt davon, dass die Vision einer multikulturellen Gesellschaft auch für Vorarlberg eine große Chance sein kann.“

Verträumt? Naiv? Woher: Das glatte Gegenteil einer Politik, die versucht, Konflikte zu schüren, um sich in weiterer Folge als vermeintliche Problemlöserin inszenieren zu können, war ernst gemeint. Es war eingebettet in Integrations- und Kulturprogramme (wie „KultUrSprünge“), durch die Austausch und Zusammenleben gefördert werden sollten. Es gibt solche Initiativen nach wie vor.

Und Vorarlberg ist nicht nach rechts gekippt. Im Gegenteil: Es handelt sich um das Bundesland mit dem zweithöchsten Bevölkerungsanteil mit Migrationshintergrund nach Wien. Gleichzeitig hat einer wie Alexander Van der Bellen hier bei der Bundespräsidentenwahl im vergangenen Herbst mit 62 Prozent das zweitbeste Bundesländerergebnis nach Wien erzielt.

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