Doskozils Heckenschützen

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ANALYSE. Als SPÖ-Vorsitzender muss sich Andreas Babler mit Problemen in den eigenen Reihen herumschlagen. Dabei hat er noch viel größere Herausforderungen zu bewältigen.

Als geschäftsführender Klubobmann der sozialdemokratischen Parlamentsfraktion ist Philip Kucher hin- und hergerissen. Er, der im Kampf um den Parteivorsitz den burgenländischen Landeshauptmann Hans Peter Doskozil unterstützt hatte, soll eine Brücke schlagen. Zwischen Andreas Babler- und eben Doskozil-Anhängern. Bisher hat er diesbezüglich aber noch nicht viel bewerkstelligen können. Er ist damit ausgelastet, zu reagieren und zu beschwichtigen.

Siehe Interviews, die mit ihm geführt worden sind, und die an diesem Montag veröffentlicht wurden: In der „Krone“ bezeichnete er „Hans Peter“ (gemeint ist Doskozil) als „Motor in unserer Partei“. Er schätze ihn sehr. Vor allem den Umgang mit „der Situation“: Mit welcher Größe er den bekannten Ausgang der Vorsitzenden-Wahl vor einem Monat getragen habe.

Im Ö1-Morgenjournal gestand er, dass er sich über Günter Kovacs, einen burgenländischen Bundesrat bzw. den Präsidenten der Länderkammer des Parlaments im ersten Halbjahr, geärgert hat: Er würde sich wünschen, dass man „nach diesen schwierigen Monaten das demokratische Ergebnis auch mit einer menschlichen Größe zur Kenntnis nimmt und auch mitträgt, wie es auch Pamela Rendi-Wagner, Andreas Babler und Hans Peter Doskozil getan haben“.

Wie es auch Hans Peter Doskozil getan hat? Natürlich, der 53-Jährige hat das korrigierte Ergebnis der Kampfabstimmung über den Vorsitz zu Kenntnis genommen, Babler gratuliert und angekündigt, dass das Kapitel Bundespolitik für ihn erledigt sei. Das hat er vor ziemlich genau einem Monat in einer Pressekonferenz erklärt. Darüber hinaus hat er sich rar gemacht. Was über ihn zu hören war, war jedoch dies: Babler berichtete in mehreren Antrittsinterviews, wie er vergeblich versucht habe, Doskozil zu erreichen. Das lässt nicht auf Arbeitsüberlastung, sondern auf eine persönliche Krise bei diesem schließen. Er scheint über seine Niederlage noch lange nicht hinweg zu sein.

Zweitens: Was von Doskozil fehlt, ist eine unmissverständliche Botschaft an seine Anhänger. Stattdessen kommt irritierendes. Wer parteiinterne Mechanismen auch nur vom Hören-Sagen kennt, mag nicht glauben, dass Günter Kovacs im ORF-Fernsehen von sich aus austeilt gegen Babler, dessen 100er auf der Autobahn genauso zurückweist (werde es „sicher nicht spielen“) wie eine Legalisierung von Cannabis („ein absolutes No-Go“) und den Vorstoß zur 32-Stunden-Woche als „nicht glaubwürdig“ darstellt.

Es ist rührend, wenn es nun heißt, derlei zeuge bloß von einer Debatte. Babler wird hier vorgeführt und die jüngste Geschichte im „Trend“, die inhaltlich zwar glaubwürdig korrigiert wird (es geht um die Message, dass bei der Mitgliederbefragung eigentlich Babler hinter Doskozil und Rendi-Wagner gelegen wäre) erhärtet dies: Das letzte Wort in Sachen SPÖ-Spitze sei für das Doskozil-Lager „noch nicht gesprochen“, heißt es darin.

Babler ist gefordert. Es ist schon grundsätzlich schwierig für ihn, allen Herausforderungen gerecht zu werden, so aber ist es schier unmöglich: Das Mindeste ist, dass er für geschlossene Reihen in der SPÖ sorgt. Wie? Das muss er wissen. Eine Option ist, Doskozil in die Pflicht zu nehmen.

Erst dann kann er darüber hinaus tun, was er zu tun hat. Erstens: Bisher hat er einen Teil der Genossinnen und Genossen durch gezielte Botschaften begeistert. Ihnen war egal, dass er sich zwischendurch als Marxist bezeichnet hat. Will er in der gesamten Wählerschaft eine relative Mehrheit erreichen, muss er sich gerade in einem Land, in dem „Linker“ eher sogar ein größeres Schimpfwort ist als „Rechter“, etwas einfallen lassen. Muss er ein Programm vorlegen, das auch Zweifler dazu bringt, ein Stück des Weges mit ihm zu gehen.

Zweitens: Die größte Herausforderung betrifft die Themenhoheit. Wie Herbert Kickl (FPÖ) spricht Babler Menschen an, die verlieren oder Angst haben, zu verlieren. Kickl macht das über Migration, Integration sowie innere wie äußere Sicherheit mit seinen Erzählungen dazu so konsequent-wirkungsvoll, dass es Babler erst schaffen muss, sich mit eigenen Zugängen zu Problemen, die er sieht, Gehör zu verschaffen. Das ist eine Übung, die bisher noch niemandem gelungen ist. Wenn sie sich nicht gerade selbst beschädigt haben, haben Freiheitliche erst einmal einen Konkurrenten gehabt, der ihnen Platz eins weggenommen hat. Das war Sebastian Kurz. Er aber hat sie schlicht kopiert.

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