Die Schwäche der Rechten

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ANALYSE. Wie Le Pen kann auch Kickl eine böse Überraschung erleben am wirklich entscheidenden Wahltag. Zumal er mit Stimmungen arbeitet. Nicht mit Lösungen.

Damit habe niemand gerechnet, gestand ORF-Korrespondentin Cornelia Primosch: Aus der zweiten Runde der französischen Parlamentswahl ging der rechtspopulistische Rassemblement National (RN) von Marine Le Pen nicht als großer Sieger hervor, sondern ein Bündnis linker Parteien. Ersten Hochrechnungen zufolge reichte es überhaupt nur für Platz zwei: Noch vor RN konnte sich das Mitte-Lager von Präsident Emmanuel Macron halten.

Ein paar Dinge muss man bei alledem wohl anmerken: Wie schon bei der Europawahl hatte Le Pens Partei auch in der ersten Runde der Parlamentswahl mehr als 30 Prozent der Stimmen erreicht und damit alle Mitbewerber deutlich hinter sich gelassen. Zu schaffen gemacht hat ihr nun jedoch, dass sich ein erheblicher Teil der übrigen zwei Drittel gegen sie zusammengetan hat. Ohne das, aber auch das Wahlsystem, wäre sie heute die klare Nummer eins in der französischen Politik und würde diese in einer Art und Weise bestimmen, die für Europa insgesamt wohl schwerwiegende Folgen mit sich bringen würde.

Trotzdem ist das Ganze ein Hinweis auf eine Schwäche der Rechtspopulisten: Sie arbeiten mit Stimmungen, nicht mit Lösungen. Die Probleme der Leute sind ihnen vollkommen egal. Aus ihrer Sicht ist es nur wesentlich, diese zu kennen, um sie gezielt missbrauchen und so in Wahlerfolge umwandeln zu können.

Siehe Sebastian Kurz oder mehr noch Herbert Kickl: Seine Erzählung ist, dass das sogenannte System die Sorgen und Nöte der Menschen ignoriere. Damit gemeint sind insbesondere Regierende. In Zeiten multipler Krisen konnte er damit punkten. Es geht jedoch weiter: Kickl verspricht nicht nur, ein Volkskanzler zu werden, der sich ganz den Menschen zuwende. Als Grundübel stellt er im Übrigen Migration dar, die von Regierenden zugelassen werde und der er durch eine Festung Österreich ein für alle Mal einen Riegel vorschieben werde.

Diese Geschichte beschert der FPÖ beachtliche Umfragewerte und bemerkenswerte Wahlerfolge, ja auch die Aussicht auf Platz eins bei der Nationalratswahl am 29. September. Dieser Platz eins ist nur nicht so sicher, wie man hin und wieder glauben könnte.

Das Glück von Kickl mag sein, dass er keine so große Allianz anderer Parteien gegen sich hat wie Le Pen in Frankreich. Karl Nehammer mag eine Zusammenarbeit mit ihm persönlich ausschließen, aber nicht mit der FPÖ. Abgesehen davon sollte die Person Nehammer nicht überbewertet werden. Er ist Obmann einer Partei, in der es viele nicht so streng nehmen. Siehe Niederösterreich, wo Johanna Mikl-Leitner mit Liederbuch-Affären-Mann Udo Landbauer koaliert. Oder siehe Aussagen von Wolfgang Schüssel und Sebastian Kurz, die Kickl nicht dämonisieren wollen (Schüssel) bzw. sich mit diesem wieder ausgesöhnt haben (Kurz), und die für ein Lager stehen, das sich selbst wohl als pragmatisch bezeichnet. Motto: Politik rechts der Mitte geht nur mit den Freiheitlichen; und Freiheitliche sind noch immer weniger übel als Sozialdemokraten (bzw. „Sozialisten“).

Das kann Kickl hoffen lassen. Das andere muss ihm jedoch zu denken geben: In Frankreich ist schon auch eine Gesellschaft aufgewacht, sind Wähler dadurch mobilisiert worden, dass es aus ihrer Sicht wichtig war, in dem Moment, in dem es wirklich ernst geworden ist, eine Stimme gegen RN abzugeben. In Österreich ist das die Kanzlerfrage: Wer Kickl an der Spitze der Regierung verhindern will, ist bei der Europawahl vielleicht zu Hause geblieben. An der Nationalratswahl wird er jedoch teilnehmen müssen.

Zweitens: Vielleicht macht RN zu schaffen, was für die FPÖ jedenfalls eine Herausforderung ist: Sie hat kaum Stammwähler und auch relativ wenige Wähler, die aus fester Überzeugung auf ihrer Seite sind. Sie bietet sich eher nur an, Unmut zu bekunden.

Diese Schwäche der Partei ist kein Wunder: Sie arbeitet mit Stimmungslagen. Und eben nicht mit Lösungen. Das reicht für schnelle Erfolge und im schlimmsten Fall dafür, dass sie zu sehr viel Macht kommt und nach ungarischem Vorbild massiven Schaden anrichtet, indem sie etwa Medien zerschlägt. Im besten Fall reicht es aber nicht einmal dafür, weil früher oder später auch bei einem erheblichen Teil ihrer Anhängerschaft sickert, dass da keine Beiträge zur Bewältigung von Herausforderungen und zur Verbesserung persönlicher Lebensverhältnisse vorliegen; dass da nichts ist, was zum Beispiel hilft, die Krise ländlicher Regionen, in denen die FPÖ immer wieder punktet, zu überwinden. Dass das alles bei aller Unzufriedenheit halt doch zu wenig ist.

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