ANALYSE. Und für Sebastian Kurz wird es noch weniger einfach, die Koalition nach der Wahl fortzusetzen.
„Genug ist genug“, sprach der damalige Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am 18. Mai und kündigte die Koalition mit den Freiheitlichen auf: Für das „zu Viel“ hatte Heinz-Christian Strache (FPÖ) mit den Aussagen gesorgt, die im „Ibiza-Video“ zu sehen sind und die tags zuvor bekannt geworden waren. Zu allem anderen hatten laut Kurz freiheitliche Funktionäre laufend beigetragen. Zitat: „Vom Rattengedicht über die Nähe zu radikalen Gruppierungen bis hin zu immer wieder auftauchenden Einzelfällen. Auch wenn ich es nicht immer öffentlich gesagt habe, sie können mir glauben, das war oft persönlich nicht einfach.“ Er, Kurz, sei jedoch bereit gewesen, viel auszuhalten. Bis zur Veröffentlichung des Videos eben, da hat’s ihm gereicht.
Diese Aussagen sind bemerkenswert: Sie machen es dem ÖVP-Chef sehr schwer, die Zusammenarbeit nach der Wahl fortzusetzen. Das ist aus zwei Gründen ein Problem für ihn:
- Zumindest die Option Schwarz-Blau II zu haben, ist wichtig für seine Verhandlungsposition. Würde ihm zum Beispiel nur ein Zurück zur von ihm gar nicht geliebten „Groko“ bleiben, wäre das gar nicht gut für ihn. Es wäre unter anderem peinlich für ihn.
- Zum anderen aber wäre eine Fortsetzung der Koalition mit der FPÖ von daher naheliegend: Die inhaltliche Übereinstimmung ist genauso groß wie die der Wählerschaft.
Umso ärgerlicher sind für Kurz die vielen Steine, die im Weg liegen: Was zu viel für Schwarz-Blau I war, ist schon wieder oder noch immer da:
Die Ibiza-Affäre ist nicht erledigt. Wo soll man anfangen: Der Ex-Kanzler mag sich darüber empören, dass auf Puls 4 eine mögliche Verbindung zur Schredderei hergestellt wurde. Genau in dieser Verbindung gibt’s jedoch Ermittlungen; und genau dadurch sind sie aufgeflogen. Dazu kommt: Es ist nicht absehbar, wie sich die Affäre weiterentwickelt. Und die FPÖ hat mit Heinz-Christian Strache noch immer keinen Schlussstrich zusammengebracht. Sprich: Ein Comeback von ihm ist schwer vorstellbar, aber nicht ausgeschlossen.
Doch zurück zu den Einzelfällen, die Kurz schwer ausgehalten hat: Es gibt sie weiterhin. Und zwar in genau der „widerlichen“ Form, an der er sich selbst schon gestoßen hat. Kärntens FPÖ-Chef Gernot Darmann fordert am Gedenktag zum Beginn des Zweiten Weltkriegs, dass „Drogendealer ihre Zellen mit der Zahnbürste putzen“. Rücktritt? Kein Thema. Für weitere Einzelfälle ist gesorgt.
Ganz schön vorgeführt ist dadurch im Übrigen der designierte FPÖ-Chef Norbert Hofer: Er bewirbt sich offen für das Vizekanzleramt, bemüht sich auch, einen staatstragend-gemäßigten Gesamteindruck zu vermitteln – wie’s in seinen Reihen ausschaut, kann er jedoch nicht verbergen. Das ist eine andere Wirklichkeit.