Der Riss, der durch die ÖVP geht

ANALYSE. Keiner Partei könnte die Wiederholung der Bundespräsidenten-Stichwahl mehr zu schaffen machen als der Volkspartei. 

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ANALYSE. Keiner Partei könnte die Wiederholung der Bundespräsidenten-Stichwahl mehr zu schaffen machen als der Volkspartei.

Natürlich müssen sich die Grünen und Alexander Van der Bellen ärgern, dass die Bundespräsidenten-Stichwahl wiederholt wird: Da sind sie dem Ziel schon so nahe gewesen und dann das. Auf der anderen Seite aber darf nicht übersehen werden, wie weit sie schon gekommen sind: Dass einer der Ihren überhaupt eine Stichwahl bestreiten kann, ist eine kleine Sensation; das ist viel mehr, als sie vor gar nicht allzu langer Zeit erwarten konnten. Ähnliches gilt für die Freiheitlichen, die Van der Bellen mit ihrem Kandidaten Norbert Hofer herausfordern.

So gesehen waren die drei Bundespräsidenten-Wahlen 2016 für beide Oppositionsparteien ein Erfolg; was auch immer bei der Wiederholung am 2. Oktober herauskommen wird. Anders schaut das für die ehemaligen Großparteien aus. Sie haben mit ihren Kandidaten, Rudolf Hundstorfer (SPÖ) und Andreas Khol (ÖVP), historische Niederlagen erlitten. Und zumindest für die Volkspartei könnte es nun noch viel schlimmer kommen. Grund: Ihre Anhängerschaft ist gespalten wie die keiner anderen Partei; und gerade angesichts einer verstärkten Polarisierung im bevorstehenden Wahlkampf wird es für Reinhold Mitterlehner und Co. immer schwieriger, Äquidistanz zu Van der Bellen und Hofer zu wahren.

44 Prozent der ÖVP-Wähler von der Nationalratswahl 2013 wählten den Grünen, 40 Prozent den Freiheitlichen.

Bei der ersten Stichwahl im Mai war die Zurückhaltung der ÖVP noch nachvollziehbar. Wenige Wochen nach der für sie vernichtenden Erstrunde stand sie noch ganz im Zeichen dieser. Ähnliches galt für die Sozialdemokratie. Zu dieser gab es letzten Endes aber einen großen Unterschied: Van der Bellen und Hofer spalteten nicht nur die Republik, sondern auch die Anhängerschaft der ÖVP. 44 Prozent ihrer Wähler von der Nationalratswahl 2013 wählten den Grünen, 40 Prozent den Freiheitlichen, so die SORA/ORF-Analyse vom 22. Mai.

Verschärft wird das Problem für Mitterlehner und seine Mitstreiter, darunter insbesondere Hoffnungsträger Sebastian Kurz, wenn die Freiheitlichen einen „Brexit-“, also einen zutiefst anti-europäischen Wahlkampf führen. Dann werden sie als Vertreter einer Partei, die sich selbst als europäische betrachtet, gefordert sein, sich zu deklarieren – allerdings immer auch mit der Gefahr, einen großen Teil ihrer Anhängerschaft, die ja zu Hofer neigt, zu enttäuschen.

Den Sozialdemokraten um Christian Kern wird das übrigens leichter fallen: In ihrem Fall haben nur 28 Prozent der Wähler aus dem Jahr 2013 für Hofer votiert. 60 Prozent gaben ihre Stimme Van der Bellen.

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