Denkzettelwahl

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ANALYSE. Nicht nur die FPÖ hat wenig zu feiern, sondern auch Parteien, die vor der Wiederwahl von Van der Bellen mehr oder weniger deutlich hinter diesem gestanden sind.

In wenigen Tagen wird niemand mehr darüber reden, wie viele Stimmen Bundespräsident Alexander Van der Bellen bei seiner Wiederwahl am 9. Oktober 2022 erreicht hat. Er ist wiedergewählt worden. Das genügt. Zumal es wirklich große Probleme gibt, die den Alltag überschatten: Ukraine-Krieg, Teuerung, Energiekrise und und und.

Mit Blick auf die mögliche Entwicklung der politischen Landschaft sollte man sich diese Wahl jedoch genauer anschauen. Verglichen mit der „Wiederwahl“ von Heinz Fischer 2010 war die Wahlbeteiligung mit voraussichtlich rund 66 Prozent recht hoch; damals hatte sie nur 54 Prozent betragen. Schon bei der Landtagswahl in Tirol ist sie zuletzt um fünf Prozentpunkte gestiegen. Man könnte sagen, es habe die Republik politisch elektrisiert. Die Teilhabe wächst.

Van der Bellen hat 56 Prozent erreicht, die rechten Gegenkandidaten Walter Rosenkranz, Tassilo Wallentin und Gerald Grosz brachten mehr als 30 Prozent zusammen. Das ist ein Signal für die ÖVP. Ihre Spitzenvertreter Karl Nehammer und Johanna Mikl-Leitner haben Van der Bellen in den vergangenen Wochen und Monaten nur sehr dosiert unterstützt. Das hängt mit der Krise ihrer Partei zusammen: Sebastian Kurz hat ihr hunderttausende Rechts-der-Mitte-Wähler beschert. Viele mag man schon verloren haben, man versucht jedoch weiter auf sie zu setzen. Durch eine Wahlempfehlung für Van der Bellen hätte man sich das verbaut.

Allein: Sich etwas Verbauen, ist das eine. Etwas Zusammenbringen das andere. Und das schiebt die ÖVP vor sich her: Wie will sie längerfristig welche Wähler ansprechen? Es bleibt ein Rätsel. Und ohne Lösung bleibt die Zukunft der Partei düster.

Für FPÖ-Chef Herbert Kickl war das eine besondere Denkzettelwahl: Das rechte Lager mag groß sein, Kickl tut sich jedoch schwer, es zu bündeln. Schon in der Pandemie sind Teile davon vorübergehend Richtung MFG abgewandert. MFG war jetzt mit Präsidentschaftskandidat Michael Brunner kein Faktor mehr und dürfte auch kaum noch einmal ein solcher werden. Aber die Mitbewerber Wallentin und Grosz waren ein Problem aus freiheitlicher Perspektive. Das war ein bisschen wie damals, bei der Nationalratswahl 2013, als ihnen Franz Stronach sehr viele Stimmen „weggenommen“ hat.

Die Grünen dürfen sich natürlich freuen, dass ihr Ex-Chef Alexander Van der Bellen auf weitere sechs Jahre in der Hofburg bleiben darf. Und mit ihnen auch die Sozialdemokraten, die unmissverständlich für ihn geworben haben. Ein Blick auf das vorläufige Ergebnis und Hochrechnungen zeigt für sie jedoch Besorgniserregendes: In urbanen Räumen, die durchaus auch als ihre Hochburgen gelten, schnitt neben dem Amtsinhaber auch Dominik Wlazny (alias Marco Pogo) für dessen Verhältnisse besonders gut ab. In Wien ist er sogar zweistellig (in Prozent) geworden.

These: Wie sich rechts, neben der FPÖ, neue Räume auftun, geschieht das auch links, neben SPÖ und Grünen. Was ein Stück weit in der Natur der Sache liegt: Die Sozialdemokratie will das Kanzleramt zurückerobern und positioniert sich daher möglichst „populär-mittig“. Die Grünen sind wiederum als Regierungspartei zum Kompromiss gezwungen bzw. lassen sich darauf ein. Das hat ihnen schon in Tirol geschadet. Auf Bundesebene müssen sie befürchten, dass einer wie Wlazny (mit einem anderen Programm) oder auch Vertreter der „Fridays for Future“- oder der Wiener Lobau-Besetzungsszene mit kompromissloser Leidenschaft eher eine ähnliche Zielgruppe ansprechen als es ihnen noch gelingt.

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