Das vernachlässigte Österreich

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ANALYSE. Die FPÖ gewinnt nicht auf Kosten aller Parteien. Umfragewerte von Grünen, aber auch Neos weisen auf etwas hin, was viel stärker beachtet gehört.

Ob bei National- oder oberösterreichischer Landtagswahl, die FPÖ würde derzeit wohl klar auf Platz eins kommen. Vor allem auf Kosten von ÖVP und SPÖ. Neos und Grüne wären kaum bis gar nicht davon betroffen. In Oberösterreich könnten beide sogar mit ihrem bisher besten Ergebnis rechnen.

Im Vergleich zu den 35 Prozent für die Freiheitlichen mögen die 14 Prozent für die Grünen und die sechs Prozent für die Neos zwar bescheiden wirken, beide würden damit aber eben gestärkt werden, und zusammen würden sie mit 20 Prozent ungefähr in der Liga von ÖVP (25) und SPÖ (19 Prozent) landen.

Das ist eine Botschaft: Beim Fokus auf die FPÖ geht unter, dass es auch ein ganz anderes Österreich gibt. Dass es nicht so ist, dass eine absolute Mehrheit Herbert Kickl als Kanzler haben möchte, geschweige denn, ihm vertraut; dass im Übrigen nicht alle weniger oder gar keine EU haben möchten, die Ukraine ihrem Schicksal überlassen würden und Zuwanderung ganz grundsätzlich ablehnen.

Im Gegenteil: Wie hier ausgeführt misstrauen sieben von zehn Österreicherinnen und Österreicher Kickl. Wie hier erwähnt wollen über 50 Prozent eine gemeinsame europäische Außenpolitik, ja sogar eine solche Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Wie hier geschrieben sind 69 Prozent für Sanktionen gegen Russland und immerhin 52 Prozent für die Finanzierung von Waffenlieferungen an die Ukraine. Und wie hier berichtet sagen 67 Prozent, dass Zuwanderung aus anderen EU-Staaten ein positives Gefühl hervorrufe bei ihnen und nicht vernachlässigbare 45 Prozent, dass es das auch in Bezug auf Zuwanderung aus Drittstaaten tue.

Gibt es für diese Leute jedoch ein adäquates politisches Angebot? Neos und Grüne stehen dafür, ÖVP und SPÖ vernachlässigen es jedoch sträflich, um es vorsichtig zu formulieren; obwohl es wie gesagt um eine Mehrheit geht.

Die Sozialdemokratie hat sich zuletzt unter Christian Kern mit passablem Erfolg darum bemüht, schaut heute in den Bundesländern fernab von Wien, wo sie mit budgetären und sozialen Fragen beschäftigt ist, jedoch zu sehr darauf, wie sie freiheitliche Themen bespielen könnte.

Die ÖVP wiederum ist durch Sebastian Kurz ganz dazu übergegangen und arbeitet durch Claudia Plakolm etwa nach wie vor daran. Es ist eine verhängnisvolle Geschichte: So verschwinden Stimmen für eine offene Gesellschaft und ein starkes Europa, die viele und auch sehr unterschiedliche sein müssten, um der Mehrheit zu entsprechen.

So wird die FPÖ gestärkt. Und zwar über die Koalitionen in bereits fünf Bundesländern hinaus, in denen ohnehin schon mehr oder weniger Politik in ihrem Sinne gemacht wird. So entsteht der Eindruck, dass sie für über 50 Prozent stehe, was aber eben falsch ist und von ÖVP, aber auch Teilen der Sozialdemokratie als Chance begriffen werden müsste, eine ganz andere Politik zu machen.

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