ANALYSE. Gerade einmal sieben Prozent der Parteimitglieder haben sich beteiligt. Das sagt sehr viel über die Kampagnenfähigkeit der Sozialdemokratie aus; sie ist nicht wahlkampftauglich.
Man stelle sich vor, Karlheinz Hora hätte am Sonntagabend über das Ergebnis der Bezirksvertretungswahl in Wien-Leopoldstadt gejubelt: Immerhin 9,7 Prozent der Wahlberechtigten haben dort ihre Stimme seiner Partei, der SPÖ, gegeben. Das ist nicht nichts. Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) mag von einer Katastrophe gesprochen haben. Andere Sozialdemokraten sind jedoch bescheiden geworden. Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler etwa; er bezeichnet es als „vollen Erfolg“, dass von den rund 200.000 Parteimitgliedern exakt 14.387 an der Parteibefragung zu den Handeslabkommen CETA und TTIP teilgenommen haben; das sind, bitte, 7,2 Prozent.
Natürlich ist das mager. Beziehungsweise ein Denkzettel für den Kanzler und SPÖ-Vorsitzenden Christian Kern: Er sieht einerseits, dass Funktionäre nicht alles mit sich machen lassen; und andererseits, dass die Kampagnenfähigkeit der Sozialdemokratie alles andere als wahlkampftauglich ist.
Direkte Demokratie klingt ja schön und gut. Auch Parteien haben daher angefangen, ihre Mitglieder zu Wort kommen zu lassen. So, wie sie das anstellen, müssen sich die Mitglieder jedoch geringgeschätzt fühlen. Die ÖVP etwa hat nach ihrem Parteitag im Frühling 2015 angefangen, auf ihrer Website Votings durchzuführen. Sinngemäß wollte sie so etwa erkunden, ob die Funktionäre eh für ein differenziertes Schulsystem bzw. gegen eine Gesamtschule seien. Diese Votings sind ganz offensichtlich gar nicht gut angekommen: Irgendwann wurden sie eingestellt und vor wenigen Tagen verschwand auch der prominent platzierte Hinweis darauf von der Website der Volkspartei.
Knapp 93 Prozent der Mitglieder waren nicht bereit, sich für etwas einspannen zu lassen, was ohnehin schon klar war.
So ähnlich ist das nun auch bei der SPÖ: Knapp 93 Prozent der Mitglieder waren nicht bereit, sich für etwas einspannen zu lassen, was ohnehin schon klar war; dass die Partei derartigen Handelsabkommen nämlich kritisch bis ablehnend gegenübersteht.
Sofern Christian Kern erwartet hat, dass er so eine Rückendeckung bekommt, so hat er sie nun tatsächlich. Allerdings anders, als erhofft: Umweltschutzorganisationen, wie „Greenpeace“ und „Global 2000“, die in der Bevölkerung über beträchtliches Ansehen verfügen, lassen prompt wissen, dass er nun aber wirklich gegen die Abkommen vorgehen und ein Veto einlegen müsse.
Größer noch ist für Kern freilich das Problem, das die Befragung ebenfalls aufzeigt: Die Kampagnenfähigkeit ist offenbar noch ungefähr so ausgeprägt, wie unter seinem Vorgänger Werner Faymann bzw. zu den Bundespräsidenten-Wahlen im April. Niedermühlbichler verweist auf eine „breite Info-Kampagne via Mitgliederzeitung, eine Kampagnen-Website und eine eigene Facebook-Seite“, die man begleitend organisiert habe. Gereicht hat das nicht.
Und auch wenn bei einem Nationalratswahlkampf ganz andere Fragestellungen, Köpfe und Dynamiken ins Spiel kommen werden, zeigt das doch, was Kern zum großen Erfolg am ehesten fehlt: Eine Organisation, die etwas bewegen kann.
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