Bleibender Schatten

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ANALYSE. Von der ÖVP liegt noch immer kein Rechenschaftsbericht für 2019 vor. Die Partei sollte sich überlegen, die Wahl von Karl Nehammer zum Obmann zu verschieben.

Eigentlich hatte sich die ÖVP sehr viel Zeit genommen von der Bestellung von Karl Nehammer zum designierten Obmann Anfang Dezember des vergangenen Jarhes bis zu seiner Wahl; sie soll erst im Rahmen des 40. außerordentlichen Bundesparteitages am 14. Mai in der Grazer Helmut List-Halle stattfinden. Die Zeitspanne reicht jedoch nicht: Sebastian Kurz ist zwar als Person weg, belastende Teile seines Werkes sind aber noch da.

Und zwar in unterschiedlichen Formen. Durch Berichte, die fortlaufend aus dem ÖVP-U-Ausschuss kommen; durch engste Weggefährtinnen und -gefährten wie Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger und Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka, die über Misstrauenswerte verfügen, die eigentlich unvorstellbar sind (Köstinger misstrauen 64, Sobotka 72 Prozent); durch die laufenden Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, bei denen auch die Partei selbst als Beschuldigte geführt wird; und durch Graubereiche.

Karl Nehammer kann schwer alles aus der Welt schaffen, es ist jedoch bemerkenswert, um wie wenig er sich bemüht. Bleiben wir bei den Graubereichen: Für das Wahljahr 2019 konnte der Rechnungshof noch immer keinen Rechenschaftsbericht für die Österreichische Volkspartei vorlegen. Sie arbeitet zurzeit an einer dritten Fassung, um Fragen, die sich aus Sicht des Rechnungshofes stellen, gerecht zu werden.

Ob sich eine Veröffentlichung bis zum Bundesparteitag ausgeht, bleibt offen. Damit geht die ÖVP ein erhebliches Risiko ein: Generalsekretär 2019 war Karl Nehammer. Wie der Oberste Gerichtshof festgestellt hat, ist die „Falter“-Feststellung zulässig, dass die Partei geplant hatte, die Wahlkampfkosten zu überschreiten. 2017 hatte sie dies um fast 100 Prozent getan. Obwohl die seinerzeitige Generalsekretärin Elisabeth Köstinger ursprünglich angekündigt hatte, das die Obergrenze von sieben Millionen Euro eingehalten werde.

Das ist nicht belanglos: In Frankreich ist Vergleichbares ein Straftatbestand, wurde Ex-Präsident Nicolas Sarkozy im Herbst deswegen zu einem Jahr Haft verurteilt. Zurecht, wie man politisch feststellen möchte: Eine Wahlkampfkostenüberschreitung ist wie Doping, eine Partei versucht, sich dadurch einen Vorteil gegenüber ihren Mitbewerbern zu verschaffen und gewissermaßen auch die Wählerinnen und Wähler zu betrügen.

2019 hat sich die ÖVP eigenen Angaben zufolge an die Wahlkampfkostenbegrenzung gehalten. Ein vom Rechnungshof freigegebener Bericht, der das untermauert, fehlt jedoch. Zumindest die Parteifunktionäre wären daher gut beraten, mit einer Nahammer-Kür zum Obmann zu warten, bis ein solcher vorliegt. Das wäre das Mindeste, um eine Art Neubeginn signalisieren zu können bzw. ein geringeres Risiko einzugehen, dass hinterher eine böse Überraschung kommt.

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