ANALYSE. Natürlich arbeitet die FPÖ an einem Öxit und an noch viel mehr. Zeit, sich nichts mehr vorzumachen. Zumal Kickl seinem Ziel sehr nahe ist.
FPÖ-Chef Herbert Kickl startet diese Woche eine Wahlkampftour. Titel: „Mit euch gegen das System“. Er selbst kündigt sich als „Volkskanzler“ an. Am Freitag geht’s am Wiener Franz Jonas-Platz los. Der Mann zieht’s durch. Natürlich: Es lässt sich nachvollziehen, dass er versucht, sich als Kampfansage gegen Regierende, aber auch Vertreter aller anderen Parteien darzustellen; dass er all jenen, die das Gefühl haben, dass alles schlechter wird und dass sie von der Politik hängen gelassen werden, einredet, der Einzige zu sein, der auf ihrer Seite stehe.
Aus drei Gründen kann man das jedoch nicht nur als logische Strategie abtun, sondern muss es ernst nehmen: Erstens: Kickl ist erfolgreich damit. In allen Umfragen liegt die FPÖ mit ihm klar vorne. Zweitens: Es geht ihm darum, die demokratische Ordnung Schritt für Schritt umzubauen, wie es sein Vorbild Viktor Orban in Ungarn getan hat. Drittens: Rund 30 Prozent für die FPÖ sind zwar nur eine relative Mehrheit. Das ist aber eine Größenordnung, bei der die Wahrscheinlichkeit wächst, dass die ÖVP schwach wird und sich doch auf eine Zusammenarbeit einlässt. Gründe: Derzeitige Akteure wie Karl Nehammer werden sich nach einer krachenden Wahlniederlage kaum halten können. Und: Durch ihre Positionierung rechts der Mitte würde sich die Partei schwertun, zu erklären, warum sie einer anderen Konstellation den Vorzug gibt (für eine solche müsste sie sich erst neu erfinden). Und: Die Verachtung für „Sozis“ ist in ihren Reihen nicht kleiner, sondern da und dort größer als für Kickl.
Was kommt, ist absehbar: Der FPÖ-Chef kann auf eine unheimliche Wucht setzen. Damit gemeint sind 25, 30 Prozent der Wahlberechtigten, die seine Radikalität gut, angemessen und wichtig finden. Die Kickl nicht einfach wählen, weil er ganz okay sei. Oder das geringste Übel. Sondern aus Überzeugung. Insofern unterscheiden sie sich von vielen Anhängern anderer Parteien.
Da und dort lässt der Freiheitliche bereits erkennen, wo er ansetzen würde. Dass sich ein Volkskanzler durch die willkürliche Behauptung eines Volkswillens zu allerhand ermächtigen würde, ist bekannt. Das ist die Masche. Bedrohlich ist sie bei schwachen Mitbewerbern, die dem nichts entgegenzusetzen hätten. Stichwort ÖVP, aber auch SPÖ. Kickl lässt im Übrigen lästige Teile der Justiz bereits als „tiefen Staat“ beschimpfen und Peter Westenthaler als Stiftungsrat im ORF wüten. Genauer: den öffentlich-rechtlichen Sender beschädigen, wo immer es geht,
Und er lässt Harald Vilimsky Richtung Öxit marschieren. „EU-Wahnsinn stoppen“. Beitragszahlungen stoppen. Den „roten Knopf“ bei der europäischen Integration drücken. Parlament und Kommission halbieren. Viktor Orban zum Kommissionspräsidenten machen. In einem APA-Interview hat er gerade beteuert, gegen einen Austritt Österreichs zu sein. Darauf sollte man nicht hereinfallen: Natürlich betreibt er hier eine Politik, die genau darauf hinausläuft; die Wählern signalisiert, dass die EU ein einziges Übel sei.
Zum Schlimmen gehört eben, dass ÖVP, aber auch SPÖ, dieser Wucht wenig bis nichts entgegenzusetzen haben: Ihre Spitzenkandidaten Reinhold Lopatka und Andreas Schieder sind irgendwie eh – ja was? Sie sind vor allem nicht so leidenschaftlich für etwas, dass es Wähler, die auf die freiheitliche System-Zertrümmerungsmaschinerie ansprechen, beeindrucken könnte.