Blauäugige Rote

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ANALYSE. Die SPÖ muss links sein und auf Distanz zur ÖVP bleiben. Sonst ist sie verloren.

Es gibt unter anderem diese Kritiken an SPÖ-Chef Andreas Babler: A) Dass er zu weit links und der Bildung einer sogenannten „Großen Koalition“ nach der Wahl im Weg stehe. B) Wie er es anlege.

B) stützt sich darauf, dass kein Stimmungsumschwung zugunsten der SPÖ erkennbar ist; was korrekt ist. Ja, es handelt sich um etwas, was Babler allmählich gefährlich wird: Genossinnen und Genossen, die die Hoffnung verlieren, dass Platz eins möglich ist, werden unrund. Josef Muchitsch ist es bereits geworden und hat sich für eine Kurskorrektur ausgesprochen.

Dabei geht es jedoch eher um A): Babler soll, vereinfacht ausgedrückt, zur Mitte rücken und den Boden für eine Zusammenarbeit mit der ÖVP bereiten. Das stellt sich nicht nur Muchitsch so vor, es tut wohl die Mehrheit der Landesparteivorsitzenden der SPÖ, sofern sie nicht, wie Hans Peter Doskozil, empfehlen, sich auch die FPÖ als potenzielle Partnerin warm zu halten.

Dass die SPÖ in der Mitte groß gewinnen könnte, ist illusorisch. Aus einem einfachen Grund: Es gibt keine große Mitte mehr. Wenn es noch eine solche geben würde, würde die ÖVP nicht nur von „Mitte“ reden, sondern auch danach handeln. In Wirklichkeit weiß sie jedoch ganz genau, dass sie rechts der Mitte positionierte Wähler ansprechen muss, um sich auch nur über 20 Prozent halten zu können. Ergebnis: Sie fordert „Stopp der Zuwanderung ins Sozialsystem“, Leitkultur, Kürzung des Arbeitslosengeldes und so weiter und so fort.

Eine SPÖ, die sich an einer solchen, nämlich einer vermeintlichen Mitte orientiert, kann sich auflösen. Aber auch unabhängig davon könnte sie in einer kleiner werdenden Mitte nicht erfolgreich sein. Wie die ÖVP nach rechts blinkt, muss sie nach links ausstrahlen.

Wobei interessant ist, dass das bei Karl Nehammer bisweilen geduldet wird, bei Andreas Babler aber eher kritisiert wird: Er nimmt sich „Reiche“ vor, Nehammer will denen, die wenig bis nichts haben, etwas wegnehmen (Geflüchteten, Arbeitslosen).

Die beiden liefern maximale Unterscheidbarkeit, helfen Wählern, sich zu entscheiden. Hinterher, also nach einem Urnengang, wird es vielleicht erst darauf ankommen, ob und wie sehr sie aufeinander zugehen können. Das jetzt schon zu betreiben, wie es Muchitsch, aber auch „Großkoalitionäre“ wie Peter Kaiser tun, ist jedoch gerade aus sozialdemokratischer Sicht blauäugig.

Im Unterschied zur ÖVP hat die SPÖ nach der Wahl wohl nur eine Option, in die Regierung zu kommen: Eben mit der Volkspartei. Zumindest, so lange sie die Variante Blau-Rot/Rot-Blau im Sinne von Babler ausschließt. Die ÖVP bleibt hingegen die „Scharnierpartei“ (Anton Pelinka): Sie kann nach einer Wahl auch als Dritte FPÖ und SPÖ gegeneinander ausspielen. Ohne sie geht nichts.

Das hat sie schon ausgenützt. Nicht ein, sondern zwei Mal: 2000 unter Wolfgang Schüssel und 2017 unter Sebastian Kurz. Genauer: Beide haben gezielt den Eindruck vermittelt, dass mit der SPÖ kein Staat mehr zu machen sei und daher Schwarz- bzw. Türkis-Blau notwendig sei.

Soll heißen: Es ist nachvollziehbar und begründet, wenn sich die SPÖ jetzt klar links positioniert und hoch pokert. Dass Babler kein gesteigertes Interesse an einer „Großen Koalition“ zeigt. Eine SPÖ, die das jetzt macht und die auch schon beginnt, sich inhaltlich anzupassen, ist allenfalls ein Geschenk für die ÖVP.

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