ANALYSE. Die Übergangskanzlerin verwaltet nicht nur. Sie setzt vielmehr Maßnahmen, die Kurz und dessen Kabinett denkbar schlecht ausschauen lassen.
Was die Opposition in den vergangenen eineinhalb Jahren nicht zusammengebracht hat, schafft ausgerechnet die Übergangskanzlerin Brigitte Bierlein, die ja nur verwalten soll: Sie bringt zum Ausdruck, dass die bisherige Regierung von Sebastian Kurz (ÖVP) nicht ganz so toll war, wie sie das gerne dargestellt hat. Im Gegenteil, Bierlein und ihre Leute sehen sich gezwungen, aufzuräumen und im Übrigen zu attestieren, dass die Republik ein echtes Sicherheitsproblem hat. Das Bundesheer steht demnach vor seiner Pleite. Doch eines nach dem anderen.
Bierlein wird dem bürgerlichen Lager zugerechnet, also weder dem roten noch dem grünen. Das muss man vorwegschicken in einem Land, in dem alles über diese Schiene erklärt wird. Soll heißen: Bierlein ist ganz sicher nicht davon getrieben, die ÖVP alt ausschauen zu lassen. Bei dem, was sie macht, tut sie das eher, weil sie ihren Job wirklich ernst nimmt.
Zu den ersten Maßnahmen der Regierung Kurz gehörte die flächendeckende Einrichtung und Stärkung von Generalsekretären in Ministerien. Das waren politische Leute, die der Beamtenschaft inkl. Weisungsbefugnis vorangestellt wurden. Man kann ruhig sagen, dass sie der Machtausübung dienten. Zu den ersten Maßnahmen der Übergangsregierung Bierlein gehörte die Abschaffung dieser Posten. Begründung: Zum einen seien sie in den Ressorts nicht wirklich gut angekommen, zum anderen gebe es ohnehin hervorragende Sektionschefs.
Aufgeräumt hat Bierlein auch in ihrem unmittelbaren Verantwortungsbereich, dem Kanzleramt. Kurz hatte dort einen „Thinktank“ eingerichtet, in dem unter anderem enge Mitstreiter die Aufgabe hatten, visionär zu denken. Indem Bierlein nichts mehr davon wissen wollte, vermittelte sie vor allem dies: Aus der Denkfabrik ist nichts gekommen, was die Republik weitergebracht hätte.
Nebenbei wurde im Übrigen auch die Schwestereinheit gestrichen, die Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) ebenfalls auf Kosten der Steuerzahler hielt. Kein Wunder: Das einzige, was öffentlich wahrnehmbar war von ihr, war eine Veranstaltung zum Thema „Islamischer Antisemitismus“. Auch dieser „Thinktank“ diente demnach eher nur dem Regenten persönlich als der Allgemeinheit.
Kein Zufall ist es wohl auch, dass unter der Übergangsregierung – mit oder ohne ihr Zutun – Dinge bekannt werden, die Durchschnittsösterreicherinnen und -österreichern ein etwas anderes Bild von Spitzenpolitikern gewinnen lassen, die von sich behaupten, für die kleinen Leute da zu sein und im System zu sparen, zu sparen und noch einmal zu sparen. Ein Beispiel: Wie der „Kurier“ berichtet, kostete das 48-köpfige Kabinett von FPÖ-Innenminister Herbert Kickl eine Viertelmillion Euro pro Monat. Kein Wunder bei Gehältern von bis zu 13.000 Euro (zumindest im Mai).
All das sind Dinge, die man als „symbolische“ Dinge abtun kann, die die Republik mit einem Bruttoinlandsprodukt von rund 400 Milliarden Euro nicht aus der Bahn werfen werden. Von einem ganz anderen Kaliber ist der Zustand, den Verteidigungsminister Thomas Starlinger in einem zentralen Sicherheitsbereich angetroffen haben will. Das Bundesheer ist demnach im kommenden Jahr pleite.
Das ist bemerkenswert wie beunruhigend gleichermaßen: Immerhin geben ÖVP und vor allem FPÖ vor, dass ihnen Sicherheit ein ganz besonderes Anliegen ist. Also hat ihnen Starlinger ein Glaubwürdigkeitsproblem geliefert. Vor allem aber wird noch die Frage zu klären sein, wer konkret für dieses Sicherheitsrisiko verantwortlich ist.
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