ANALYSE. Eine Neuaufstellung der FPÖ ist nicht nur für die ÖVP bedrohlich, sondern auch für SPÖ und Grüne.
Annahme: Nach dem Rückzug von Norbert Hofer wird Herbert Kickl FPÖ-Chef. Begründung: Er ist der einzige Freiheitliche, der der Partei so extreme Kanten geben kann, dass es ihr möglich ist, Wählerinnen und Wähler, die sie 2017 und viel mehr noch 2019 an die ÖVP verloren hat, wieder zurückzuholen.
Was sich hier nach einem (blau-türkisen) Duell anhört, ist viel mehr: Der Satz „Wenn sich zwei streiten, freut sich der Dritte“ ist in diesem Fall daneben, sofern Sozialdemokraten oder Grüne gemeint sind damit. Auch für sie könnte das, was kommt, ernsthafte Folgen haben.
Zunächst zu den Grünen. Sie könnten hier deplatziert wirken, sind sie doch ganz anders als Türkise, geschweige denn Blaue, sprechen sie doch auch unterschiedliche Wählerinnen und Wähler an. Ihr Problem ist jedoch die ÖVP: Schon bisher galt für Sebastian Kurz die Devise, dass rechts von ihm möglichst wenig Platz bleiben darf.
Groß anstrengen musste er sich dazu nicht in den vergangenen Monaten. Einerseits stand das Flüchtlingsthema im Hintergrund, andererseits waren die Freiheitlichen mit sich selbst beschäftigt. Und trotzdem haben die Signale, die Kurz setzte, gereicht, um den Grünen erhebliche Probleme zu machen bei ihrer Anhängerschaft. Beispiel Abschiebung von gut integrierten Jugendlichen. Die Grünen können bis heute schwer damit umgehen, Teil einer Regierung zu sein, die so etwas praktiziert.
Ab sofort könnte es jedoch noch viel heftiger kommen für Werner Kogler, Freundinnen und Freunde: Extreme Rechte sind nicht nur in Frankreich und Italien auf dem Vormarsch, in Österreich formieren sie sich über Kickl neu und fordern Kurz und Co. heraus, wie noch nie. These: Kurz wird rechtspopulistische Akzente zur Abwehr verstärken. Und damit werden auch für die Grünen viel größere Belastungsproblem einhergehen, als sie diese in der für sie ohnehin schier unmöglichen Koalition bereits erfahren haben.
Die SPÖ kann bei alledem nicht einfach nur zuschauen. Ihr Problem ist, dass sie in den vergangenen Jahren nicht an die Türkisen, sondern an die Blauen ausgeronnen ist. 2017 hat sie laut SORA-Analyse unterm Strich 141.000 Wählerinnen und Wähler an die FPÖ verloren. Eine Erklärung: Unter Christian Kern bemühte sie sich damals eher um eine Mitte-Links-Wählerschaft. Das war insofern erfolgreich, als sie viele Grüne gewann, wurde aber eben dadurch ausgeglichen, dass sie auf der anderen Seite so viele Leute zu den Freiheitlichen verabschieden musste. Alles in allem konnte die SPÖ ihren Stimmenanteil damals nur halten.
Wie auch immer: Die Botschaft, die mit der 2017er Wahl einhergeht für Pamela Rendi-Wagner, Genossinnen und Genossen, ist, dass eine relativ starke FPÖ gerade auch auf ihre Kosten gehen kann. Vor vier Jahren ist das nur weniger aufgefallen, weil zugleich so historisch viele Grünen-Wählerinnen und -Wähler abzuholen waren und von Kern auch abgeholt wurden (die Grünen flogen damals bekanntlich aus dem Parlament); das wird sich in dieser Weise kaum wiederholen lassen.
Schlimmer: 2019 konnte die SPÖ nicht einmal einen Bruchteil der Wählerinnen und Wähler von der FPÖ zurückholen – obwohl diese in Folge der Ibiza-Affäre beinahe in sich zusammenbrach. Netto wanderten laut SORA nur neuntausend retour.
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