ANALYSE. Die FPÖ tut sich im Regierungs-, die SPÖ im Oppositionsalltag schwer. Und der eigene Bildungsminister überrascht die größten Kritiker auch noch positiv.
Also das Schlimmste, was Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) aus heutiger Sicht passieren kann, ist, dass die Freiheitlichen an der Regierungsfunktion zerbrechen. Doch auch das müsste noch nicht alles heißen: 2002 gab’s das schon einmal. Stichwort Knittelfeld. Ergebnis: Kurz-Vor-Vor-Vorgänger Wolfgang Schüssel ging als Kanzler nicht nur unbeschadet aus der vermeintlichen Misere hervor; er führte die ÖVP bei der folgenden Nationalratswahl von 27 auf 42 Prozent. Ein Grund: Die Sozialdemokratie konnte in puncto Kampagnenfähigkeit nicht mit der Volkspartei mithalten.
Nun sollte man nicht davon ausgehen, dass sich Geschichte wiederholt. Gerade weil sich die FPÖ schwertut und die SPÖ in der Opposition herumstolpert, muss Sebastian Kurz jedoch nicht angst und bange werden. Im Gegenteil. Zumindest nach einem Monat Kanzleramt könnte es besser nicht laufen für ihn.
Das signalisiert: Strache ist im „Establishment“ angekommen.
Die Freiheitlichen haben ein großes Problem: Es ist schier unmöglich für sie, in den Augen ihrer Wähler glaubwürdig zu bleiben. Beispiel 1: Als Vizekanzler und Sportminister ist Heinz-Christian Strache zum Teil des „Establishments“ geworden, über das er und seine Parteifreunde einst hergezogen sind. Dass die Zeitung „Österreich“ tagelang rätselt, ob er nun am Opernball teilnehmen wird oder nicht, bis er klarstellt, dass es vielleicht erst 2019 soweit sein werde, ist da noch das Geringste. Schlimmer für ihn ist, auf Skiklassikern, wie Kitzbühel, einen Millionenpublikum als großer Ehrengast in den vorderen Reihen präsentiert zu werden. Das signalisiert: Er ist im „Establishment“ angekommen.
Beispiel 2: Wie die SPÖ damit umgeht, ist ein eigenes Kapitel, das noch zu behandeln sein wird; dass es der FPÖ aber schwerfällt, Vorwürfe zu erwidern, wonach sie 150.000 Zuwanderer ins Land lasse und bei Abschiebungen überhaupt zu lasch agiere, ist das andere; das muss in den Augen ihrer Anhänger verstörend wirken. Und überhaupt: Die Streichung der Aktion 20.000 und ein möglicher Zugriff auf das Vermögen von Langzeitarbeitslosen sind unter aktiver SPÖ-Mitwirkung als verunsichernde Themen wesentlich stärker geworden als die Senkung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge für kleine und der Familienbonus für mittlere Einkommensbezieher.
Was die SPÖ betreibt, das kann man auch als Störmanöver bezeichnen.
Doch nun zur SPÖ: Was sie betreibt, das kann man auch als Störmanöver bezeichnen, das ihr z.B. auf Kosten der Freiheitlichen vielleicht Zugewinne bei der niederösterreichischen Landtagswahl bescheren könnte, das vor allem aber die Aufmerksamkeit auf die Partei selbst lenkt: Rückt sie nach rechts? Oder wie? Was ist jetzt der Kurs des Christian Kern? Nicht nur Journalisten beschäftigt das. Die Partei-Linke empört es, von der Sektion 8 bis zu SJ-Chefin Julia Herr. Und sehr wahrscheinlich nicht nur sie: Ein guter Teil der Wähler hat am 15. Oktober aus Ablehnung von Schwarz-Blau die SPÖ unterstützt; jetzt jedoch verabschiedet sie sich von dem Kontrastprogramm. Also wird sie sich beim nächsten Mal wieder andere Wähler suchen müssen. Was ziemlich riskant ist.
Sebastian Kurz könnte all das gelassen verfolgen. Er tut es jedoch nicht. Kurz übt sich vielmehr weiter so erfolgreich in Selbstdisziplin, dass ihm noch kein größerer Fehler unterlaufen ist. Was angesichts der Mitbewerber reicht. Auch seine Regierungsmitglieder haben sich noch keiner größeren Kritik ausgesetzt. Im Gegenteil: Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) hat zuletzt mit dem Deutschprogramm für Kinder, die da Defizite haben, sogar Kritiker aus den Reihen der Sozialdemokratie überrascht; deren Bildungssprecherin Sonja Hammerschmid begrüßt die Pläne sogar. Und die Rechte in diesem Land, die durch die FPÖ verkörpert wird, ist ebenfalls zufrieden. Mehr kann sich Kurz nicht wünschen.
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