Bablers vertane Chance

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ANALYSE. Beim Ziel Kanzleramt wird der SPÖ-Vorsitzende mehr und mehr abhängig davon, dass Kickl über sich selbst stolpert. Aus eigener Kraft wird’s immer schwieriger.

Zugegeben, wenn kluge Leute wie der Politikwissenschaftler Anton Pelinka bisher davon gesprochen haben, dass das Europäische auch innenpolitisch entscheidend wäre, kamen Zweifel. Damit ist jedoch Schluss: Im Hinblick auf die Nationalratswahl im kommenden Jahr könnte es zu einer Schlüsselfrage werden. Wie halten es Parteien und Kandidaten mit der EU? Dabei geht es um so vieles: Weltoffenheit oder Verschlossenheit in einer Festung Österreich? Teilhabe an einem größeren Gebilde, das es ermöglicht, riesigen Herausforderungen gerecht zu werden? Internationalität oder Nationalismus sowie Provinzialismus?

Die FPÖ hat ihre Position wie hier ausgeführt abgesteckt. Sie steht für eine Festung Österreich und dergleichen. Grüne und Neos werden Gegenpositionen beziehen. Immerhin. Seltsam ist, wie sehr SPÖ-Chef Andress Babler hier eine Chance auslässt. Das muss daher näher ausgeführt werden.

Das Potenzial für Babler könnte riesig sein. Gegen extrem rechte Positionierungen könnte es eine Mehrheit geben. Natürlich, man muss sie sich mit Neos und Grünen teilen. Die ÖVP vernachlässigt jedoch ziemlich viele Bürgerliche, die europapolitisch von Alois Mock oder Martin Purtscher geprägt sind.

Sie könnten angesprochen werden. Diesbezüglich steht sich Babler jedoch selbst im Weg. Seinen Aussagen zur EU, die vor dem Sommer einer breiteren Öffentlichkeit bekannt geworden sind, hat er bis heute nichts Nennenswertes entgegengesetzt. Er hat es unterlassen, für eine Union zu begeistern, die seinen Vorstellungen entspricht. Dass sie ihm zu wenig sozial ist, kann ja nicht alles sein.

Indem er das unterlassen hat, schürt er Zweifel, ob ihn die Welt außerhalb nationaler Grenze überhaupt interessiert. Natürlich: Gerade das Video hat gezeigt, dass es das tut. In den vergangenen Monaten hat er diesbezüglich aber eben nichts bekräftigt.

Dass er zu viel anderes zu tun hatte, kann keine Erklärung sein: Migration, Sicherheit, Außenpolitik, Europapolitik stehen mehr und mehr im Zentrum. Kriege, Fluchtbewegungen und Kickl sorgen dafür. Das bedeutet: Entweder liefert man inhaltliche Ansagen dazu – oder man geht unter.

Man könnte das Thema so vielfältig angehen. Polen und Ungarn, die (noch) von autoritären, rechtsnationalen Führungen geprägt sind, werden seit Jahren gerade von Brüssel unter Druck gesetzt, beispielsweise rechtsstaatlichen Ansprüchen gerecht zu werden. Das ist doch eine starke Geschichte, die gerade auch aufgrund der Perspektiven in Österreich wirken könnte. Zumal Polen mit seinem bevorstehenden Regierungswechsel auch dafür steht, dass sich Vieles wieder zum Besseren wenden kann.

Das ist die eine Chance, die Babler dabei ist, zu vertun. Die andere: Ein Blick auf die Kandidatenliste der SPÖ für die EU-Wahl könnte einen glauben lassen, Pamela Rendi-Wagner habe sie mit Hilfe von Christian Deutsch erstellt: Andreas Schieder (SPÖ Wien), Evelyn Regner (ÖGB), Günther Sidl (SPÖ NÖ), Elisabeth Grossmann (SPÖ Steiermark), Hannes Heide (SPÖ OÖ), Claudia Arpa (SPÖ Kärnten): Die Reihung entspricht eher nur dem parteiinternen Machtgefüge. Entscheidendes hat Nachrang: Dass hier jemand wäre, der für Europa brennt, klug ist, über die Partei hinaus wirkt und begeisterungsfähig ist.

Das sind vier Kriterien, auf die es ankommt. Von einer Spitzenkandidatin, einem Spitzenkandidaten sollten sie bestmöglich erfüllt werden. Sonst ist er verloren. Babler müsste das wissen. Wäre er ihnen, umgelegt auf die Vorsitzendenwahl in der Partei, so gar nicht gerecht geworden, er hätte keine Chance gehabt.

Das leitet über zu einem letzten Rätsel: Babler ist vor dem Sommer auch so weit gekommen, weil er eine Öffnung der Partei verkörpert hat. Damit brachte er Leute dazu, Mitglied zu werden, die ihr bisher ferngestanden waren. Da ist die Art und Weise, wie er diesen wichtigen Europawahlkampf anlaufen lässt, ein glatter Widerspruch.

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