ANALYSE. Der SPÖ-Vorsitzende hat bei der Regierungsbildung Freund und Feind überrascht. Allein damit, dass er Markus Marterbauer als Finanzminister durchgesetzt hat.
Markus Marterbauer (SPÖ) wird vom Boulevard als potenzieller Sprengmeister der neuen Bundesregierung bezeichnet. Immerhin ist der Finanzminister ein bekennender Linker und für Vermögenssteuern, wie sie von der Kanzlerpartei ÖVP, aber auch den Neos entschieden abgelehnt werden. Andererseits hat der bisherige Arbeiterkämmerer bei seinem Amtsantritt gerade betont: „Unsere Republik steht vor großen Herausforderungen, die wir gemeinsam und voller Tatendrang angehen werden. Ich bin mir der Verantwortung bewusst und freue mich auf die neuen Aufgaben. Gemeinsam und im Konsens wollen wir gute Lösungen zum Wohle der Republik finden.“ So spricht kein Sprengmeister.
Was kommt, wird man sehen. Was war, ist bemerkenswert: SPÖ-Chef Andreas Babler hat bei der Regierungsbildung Freund und Feind überrascht. Beim zweiten Anlauf zu einer schwarz-rot-pinken Koalition hatte Wiens Bürgermeister Michael Ludwig mit der 3. Nationalratspräsidentin Doris Bures den Eindruck erweckt, für die Sozialdemokratie bestimmend zu sein; hatten die beiden so getan, als wäre Babler nur noch in ein Team eingebettet.
Im Übrigen schien es bis zuletzt darauf hinauszulaufen, dass auf Wunsch von Ludwig Peter Hanke oder Alexander Wrabetz Finanzminister wird; und unter anderem auf Wunsch von Bures ihr ehemaliger Mitarbeiter, der heutige niederösterreichische Landesparteivorsitzende Sven Hergovich Infrastrukturminister. Babler setzte am Ende jedoch Hanke als Infrastrukturminister und seinen Vertrauten Marterbauer als Finanzminister durch.
Eigentlich unvorstellbar. Aber nur eigentlich: Dass sich Babler als bekennender Linker mit dem bekennenden Pragmatiker Ludwig anlegt, wenn es aus seiner Sicht sein muss, ist nur konsequent. Er ist ursprünglich nicht angetreten, SPÖ-Chef zu werden, um Ludwig zu gefallen; im Gegenteil, als Vertreter einer Basis positionierte er sich demonstrativ gegen ein Establishment und setzte in diesem Sinne am Ende auch mehr „Basisdemokratie“ durch in der Partei. Ludwig wiederum hatte keine Freude mit seinem Antreten. Es kam lediglich zu einem Zweckbündnis, als es darum ging, Hans Peter Doskozil als Vorsitzenden zu verhindern. Das war’s dann auch schon. Im Oktober 2023 schied Ludwig sogar aus dem Bundesparteipräsidium aus, an dessen Spitze nunmehr Baber stand.
Heute mag Babler Doskozil gegen sowie Ludwig, Hergovich, Bures und andere (wie den steirischen Landesvorsitzenden Max Lercher) nicht groß für sich haben, was in Summe fatal wirkt, ihm derzeit aber vollkommen egal sein kann: Es gibt kein geschlossenes Lager, das ihm gefährlich werden könnte. Ludwig hat eine Gemeinderatswahl am 27. April zu schlagen und kann sich daher keine offene Auseinandersetzung mit ihm leisten. Abgesehen davon ist fraglich, über wie viel Rückhalt er (Ludwig) außerhalb von Wien verfügen würde.
Das macht Babler stärker und das hat er jetzt auch ausgenützt. Wobei: Letzten Endes geht damit nur eine zweite Chance nach dem frustrierenden Nationalratswahlergebnis für ihn einher. Insbesondere mit Marterbauer kann er noch einmal versuchen, eine Politik zu betreiben, die der SPÖ Wahlerfolge bringt.
Zeit dafür, sich um ebensolche zu bemühen, hat er: Der nächste größere Urnengang nach der Wien-Wahl Ende April ist voraussichtlich die oberösterreichische Landtagswahl – im September 2027, also in zweieinhalb Jahren.