Babler im Weg

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ANALYSE. Nicht nach, sondern vor der Wahl beginnt man in der SPÖ, den eigenen Vorsitzenden abzumontieren. Ein Versuch, das nachzuvollziehen.

Gerne heißt es, das Schreiben der Zweiten Nationalratspräsidentin Doris Bures über das sozialdemokratische Wahlprogramm und den Bundesparteivorsitzenden Andreas Babler sei nur für den internen Gebrauch gedacht gewesen. Doch nicht für die Öffentlichkeit!

Ja, ja: Das Schreiben ging an Präsidiumsmitglieder und das sind bei weitem nicht nur Leute, die es gut meinen mit der „Babler-SPÖ“. Der Tiroler Georg Dornauer etwa, der vor wenigen Tagen erklärte, Babler müsse die Partei mindestens auf Platz zwei bringen. Was zwischen den Zeilen heißt: Es ist fraglich, ob er es ganz nach vorne schafft. Was wiederum insofern verheerend ist für die Wahlkampagne, als hier Leuten, die auf Babler als Kanzler setzen, signalisiert wird, dass sie sich diesbezüglich nur nicht zu große Hoffnungen machen sollten. Am 29. September also vielleicht doch lieber zu Hause bleiben oder so?

Auch Verena Dunst gehört dem Präsidium an. Sie kommt aus dem Burgenland und sitzt quasi für ihren Landeshauptmann Hans Peter Doskozil in dem Gremium. Damit ist alles gesagt.

Wer in einem solchen Kreis etwas sagt, was gegen die eigene Partei gerichtet nicht für die Öffentlichkeit bestimmt ist, muss extrem vorsichtig sein. Wer hier etwas verschriftlicht ist naiv oder verfolgt eine böse Absicht. Was man bei Bures jedenfalls ausschließen kann, ist, dass sie naiv ist.

Die Liesingerin hat zumindest zum Ausdruck gebracht, was schon lange im Raum steht: Wie mit der Werner Faymann- kommen namhafte Genoss:innen aus Wien auch mit der Pamela-Rendi-Wagner-Ablöse nicht und nicht zurecht. Als diese nach einer Mitgliederbefragung nicht mehr zu verhindern war, setzte man auf die Verhinderung des größtmöglichen Übels (Doskozil). Das heißt nicht, dass man von Babler überzeugt war. Im Gegenteil: Frei nach Michael Häupl galt er als das Gegenteil des Typs „Pragmatiker der Macht“, der in diesen Kreisen für notwendig gehalten wird; der Traiskirchner gilt, wie hier seinerzeit beschrieben, als der Beseelte mit den leuchtenden Augen.

Ungefähr so wirkt nach Darstellung von Bures in dem „vertraulichen“ Schreiben sein Wahlprogramm: „Die Relationen der einzelnen Politikfelder zeigen zu wenig Schwerpunktsetzungen und Priorisierungen, verlieren sich aber dafür – in relativ unbedeutenden Bereichen – in liebevollen Details.“ Beim Forschungsthema werde lapidar die erhöhte Finanzierung für Grundlagenforschung avisiert, während im Landwirtschaftsteil die Erhöhung des Anteils der Bio-Imker von derzeit drei auf zehn Prozent angekündigt werde.

Wichtiger ist aber diese Festellung von Bures: „Das vorliegende Programm stellt ein Kompendium vielfältigster, durchaus auch wohlklingender Forderungen dar, das meiner Auffassung nach aber zu wenig Fokus hinsichtlich realpolitischer Umsetzung vorweist. Damit wird, so fürchte ich, die Glaubwürdigkeit und der ernsthafte gestalterische Anspruch der Sozialdemokratie zu wenig untermauert.“

„Realpolitische Umsetzung.“ Hier spricht eine Sozialdemokratin von gestern. Natürlich: Bablers riesengroßes Problem ist, dass er keine Aussicht auf eine Regierungskonstellation hat, in der er wesentliche Züge seiner Vorstellungen umsetzen kann. Am ehesten möglich gewesen wäre dies in einer Ampelkoalition. Eine solche geht sich aber nicht aus. Mit der ÖVP kann er fast alles vergessen. Ehe sie sich mit ihm auf Kompromisse einlassen muss, sitzt sie mit den Freiheitlichen im Boot, sofern Blau-Türkis die einzige Zwei-Parteien-Konstellation mit Mehrheit ist.

Das ist das Dilemma der SPÖ: Leute wie Bures glauben, dass man sich in einem alten großkoalitionär-sozialpartnerschaftlichen Sinne auch vor einer Wahl nach dem mit der ÖVP Machbaren ausrichten muss. Dabei übersehen sie jedoch zwei Dinge: Wenn man das tut, ist man gerade in Zeiten einer verstärkten Polarisierung uninteressant für einen erheblichen Teil der Wählerschaft. Das kann man bedauern, ist aber so. Und: Die Volkspartei denkt umgekehrt nicht mehr im entferntesten daran, sich entsprechend auszurichten. Sie ist ganz auf den Wettbewerb mit der FPÖ fokussiert und bemüht sich daher, die härtere Asyl- und Migrationspolitik zu betreiben als diese; oder die rückgewandtere Gesellschaftspolitik (Stichwort „Tradition statt Multikulti“).

Es ist sogar schlimmer für die SPÖ: Die ÖVP, die immer mindestes zwei Koalitionsoptionen hat, wird sich eine weitere Absage an eine Zusammenarbeit mit Herbert Kickl nach dem Urnengang allenfalls teuer abkaufen lassen. Vereinfacht ausgedrückt: Sie wird vermitteln, dass es auch an SPÖ und zum Beispiel Neos liege, einen Kanzler Kickl zu verhindern; dass sie es billig geben müssten, damit Türkis-Rot-Pink möglich werde.

Da kann man sich jetzt unabhängig vom Geschick von Babler, der SPÖ eine programmatische Einzigartigkeit zu verleihen, mit der sie es bei Wahlen ganz nach vorne bringen könnte, fragen, ob die bedingungslose Fixierung auf eine Große Koalition klug ist, die durch Bures verkörpert wird. Der Punkt ist: Babler steht ihr im Weg.

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