ANALYSE. Bisher hat sich der SPÖ-Vorsitzende darauf konzentriert, eigene Leute anzusprechen. Jetzt müsste er weit darüber hinausgehen.
Geht man vom Durchschnitt der Umfragewerte aus, der beim APA-Wahltrend ausgewiesen wird, dann liegt die SPÖ um nur dreieinhalb Prozentpunkte hinter der FPÖ. Von daher scheint das Rennen für Andreas Babler nicht verloren zu sein. Andererseits: Was macht er mit Platz eins, wenn es eine blau-türkise Mehrheit gibt? Es wäre eine Katastrophe für ihn, schon allein, weil die ÖVP dann hoch pokern würde. Von wegen Erbschaftssteuer und dergleichen. Der Druck, nachzugeben, wäre größer für ihn.
Entscheidend für den SPÖ-Vorsitzenden ist, dass er das verhindern oder der Volkspartei die Sache am Ende des Tages schwer machen kann. Dazu muss er jedoch seinen Kurs ändern.
Wie die ÖVP nicht länger gegen Menschen agitieren dürfte, die von der Mindestsicherung leben, müsste er aufhören, gegen Reiche vorzugehen. Müsste sich im Sinne eines Brückenbauers auf Unternehmen zubewegen, sodass gerade auch aus ihren Reihen wieder eine wohlwollende Stimmung für eine Rückkehr zu einer „Großen Koalition“ entsteht. Hintergrund: Über einen solchen könnte sich die ÖVP nicht so einfach hinwegsetzen.
Das ist alles jedoch leichter gesagt als getan. Bisher hat sich Babler darauf konzentriert, Linke zu umwerben, ja zu begeistern. Das hat es ihm ermöglicht, Vorsitzender zu werden. Das kann er jetzt schwer aufgeben. Sonst riskiert er, diese Leute wieder zu verlieren.
Dennoch muss er sich, wenn er Kanzler werden will, etwas einfallen lassen. Ein Programm für Österreich etwa, mit dem sich bei weitem nicht nur Linke identifizieren können, sondern darüber hinaus auch Angehörige einer Mitte, denen zum Beispiel Chancengerechtigkeit und Weltoffenheit ein Anliegen sind.
Im Übrigen müsste er sich ein Stück weit von Teilen der bestehenden SPÖ emanzipieren: Im Moment muss er befürchten, dass unter anderem die Kleingartenaffäre, für die Genossinnen und Genossen in Wien verantwortlich zeichnen, auch ihm auf den Kopf fällt. Sich von derlei freizuspielen, könnte ihm leichtfallen: Dass Hans Peter Doskozil oder Georg Dornauer nichts anfangen können mit ihm, ist bekannt; dass sich Michael Ludwig aus dem Bundesparteipräsidium verabschiedet hat, ebenso. Mit beidem könnte auch eine Chance einhergehen für ihn, er hätte Freiräume gewonnen.
Sie zu nützen wäre umso wichtiger für ihn, als ihm Konkurrenz droht, die aus seiner Sicht lästig ist: Dominik Wlazny mit der „Bierpartei“. Sie hat bisher Leute angesprochen, die in Summe schwer zu verorten sind. Alles in allem sind sie aber enttäuscht von Parteien sowie Politikerinnen und Politikern und stehen nicht nur, aber eher links der Mitte. Zugespitzt formuliert: Für sie stellt Wlazny eine potenzielle Alternative nicht nur, aber auch zu Babler dar, zumal er exakt gar nicht mit Kleingartenaffären und solchen Dingen in Verbindung gebracht werden kann.