Auch Vorarlberg kann kippen

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ANALYSE. Seit 1945 stellt die ÖVP im äußersten Westen der Republik den Landeshauptmann. Ob sie das auch nach der Wahl am 13. Oktober tun wird, ist offen.

Die Freiheitlichen können sich schon einmal darauf einstellen, Regierungsverantwortung übernehmen zu dürfen. Nein, nicht auf Bundesebene, sondern in Vorarlberg: Auch dort gibt es noch eine türkis-grüne Koalition, ist die ÖVP aber ebenfalls fertig mit den Grünen. Und die einzige Zwei-Parteien-Konstellation, die nach der Landtagswahl am 13. Oktober über eine Mehrheit verfügen dürfte, ist eine türkis-blaue.

Beziehungsweise vielleicht auch eine blau-türkise. Sicher ist diesbezüglich gar nichts mehr.

Die Ausgangslage mag komfortabel wirken für die ÖVP, sie seit 1945 den Landeshauptmann stellt; derzeit mit Markus Wallner: Zwischen ihr und den Freiheitlichen, die vom leicht bubenhaft wirkenden 33-jährigen Christof Bitschi geführt werden, liegen gut 30 Prozentpunkte. Aber was heißt das schon in Zeiten wie diesen: Auf Bundesebene sind Türkise gerade groß abgestürzt, haben Freiheitliche so stark gewonnen, dass sie jetzt auf Platz eins liegen.

Auch in Vorarlberg wäre es beinahe zu einem Wechsel an der Spitze gekommen. Wobei der Hinweis, dass das ja nur bei einer Nationalratswahl der Fall gewesen sei, so nicht mehr überzeugt. Vor ein paar Jahren hätte man das sagen können, im Wissen, dass Alemannen einen Unterschied zur Landespolitik machen.

Heute gibt es jedoch Dinge, die aus Sicht der ÖVP alarmierend sind. Kleines Beispiel: Die Bergparzelle Watzenegg oberhalb von Dornbirn, der größten Stadt des Landes, ist ungefähr das, was Igls für Innsbruck ist. Wer nicht dort aufgewachsen ist und ein Haus mit Grund geerbt hat, braucht sehr viel Geld, um sich den Traum vom Eigentum zu erfüllen. Gut eine Million Euro ist allemal nötig. Hier herrscht bürgerlicher Wohlstand mit Blick übers Rheintal und den Bodensee, in die Schweiz und weit in den süddeutschen Raum hinein. Sprengelergebnis bei der jüngsten Nationalratswahl: 33 Prozent FPÖ, 31 Prozent ÖVP.

Da beginnt man zu verstehen, was Markus Wallner diese Woche meinte, als er auf einer Pressekonferenz sagte, bei der Landtagswahl am 13. Oktober sei Platz eins nicht sicher für die ÖVP und Platz zwei unvorstellbar. Dieses „Unvorstellbar“ war gemeint im Sinne von: „Das darf nicht sein, es muss verhindert werden.“

Für die Volkspartei sind drei oder vier Dinge in Summe kritisch: Wie die meisten, die in Regierungsverantwortung stehen, kann sie vielen Leuten nicht mehr das liefern, was sie sich erwarten; das ist umso verhängnisvoller, als ihnen jahrzehntelang vermittelt worden ist, dass gute Politik genau das garantieren könne: Stabilität und einen immerzu steigenden Lebensstandard.

Zweitens: Wallner und die ÖVP haben durch die Wirtschaftsbundaffäre 2022 Schaden genommen. Bei der Affäre ging es darum, dass nicht nur das Land groß mit Steuergeld inseriert hat im Magazin der Parteiorganisation; sondern dass diese landauf, landab auch Unternehmen einlud, zu inserieren – was bei ihrer Machtstellung hart an eine Aufforderung herankam und insofern nicht unproblematisch war. Die Praxis wurde eingestellt, das Image in Bezug auf saubere und korrekte Verhältnisse ist jedoch angekratzt.

Drittens: Bitschi von der FPÖ wäre nicht unbedingt ein gefährlicher Mitbewerber. Die FPÖ ist aber Kickl und da ist es so, wie es schon unter Jörg Haider war: Freiheitliche gewinnen überall, egal, ob der Bundesparteiobmann auf der Liste steht oder nicht. Für die Volkspartei ist eine solche FPÖ vor allem auch in einem Land wie Vorarlberg ernst zu nehmen, in dem es traditionell ein starkes konservatives Lager gibt, das vieles, nur nichts links ist.

Viertens: Mit einer Bitschi-Kickl-FPÖ könnte die ÖVP vielleicht noch fertig werden. Es gibt daneben aber auch noch Neos und einigermaßen bürgerliche bzw. nicht Fundi-, sondern Realo-Grüne. Beide zusammen sind stärker als in den meisten übrigen Bundesländern. In Watzenegg, wo die FPÖ eben mit 33 Prozent auf Platz eins gekommen ist bei der Nationalratswahl, schafften Neos und Grüne daneben insgesamt 25 Prozent. Ebenfalls auf Kosten der ÖVP.

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