ANALYSE. Parteipolitisch motivierte Personalentscheidungen setzen nicht nur Leuten wie Christoph Grabenwarter und Roland Weißmann zu. Sondern auch ihren Institutionen, ORF wie VfGH.
Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) schließt einen geheimen „Sideletter“ zu einer Koalitionsvereinbarung mittlerweile aus, sollte ein solcher unter seiner Verantwortung zustandekommen in den nächsten Jahren, und auch Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) will, geprügelt von eigenen Freunden, ab sofort maximale Transparenz walten lassen. Erledigt ist die Geschichte, die von parteipolitisch motivierten Postenbesetzungen bzw. „struktureller Korruption und einem Verstoß gegen geltendes Recht“ handelt (Zitat Verfassungsrechtler Heinz Mayer), damit aber noch lange nicht.
Beschädigt ist beispielsweise niemand geringerer als der Verfassungsgerichtshof. Im türkis-blauen Sideletter aus dem Jahr 2017 steht unter anderem, wer Präsident nach Brigitte Bierlein werden soll: „Christoph Grabenwarter (ÖVP)“. Gemeint ist mit dem Zusatz zwar nicht, dass er ein Funktionär der Partei ist, sondern, dass die Partei ihn vorgeschlagen hat. Er ist es jedoch geworden und damit auch schon einem Verdacht ausgesetzt, der unerträglich ist: So wie die ÖVP tickt kann man nicht mit Sicherheit sagen, dass seine Kompetenz, die allemal ausreichen würde, ausschlaggebend war. Im Klartext: Es ist ein Zweifel gesät, der schwer zu entkräften ist, selbst wenn Grabenwarter auch jeden ordentlichen Bestellvorgang für sich entschieden hätte und mittlerweile auf zahlreiche Erkenntnisse verweisen kann, die der VfGH in seiner bisherigen Amtszeit getroffen hat und die der Volkspartei mit Sicherheit missfallen haben (Corona-Maßnahmen, Sterbefhilfe etc.).
Gerade deshalb sind die parteipolitisch motivierten Postenbesetzungen so verwerflich: Sie sind rufschädigend für die begünstigten Personen und damit auch die Institutionen, für die sie tätig sind. Beim Präsidenten ist es der Verfassungsgerichtshof, bei Roland Weißmann der ORF.
Der Schaden ist angerichtet, Betroffene können eher nur die Zähne zusammenbeißen und beweisen, dass sie ihren gesetzlichen Verpflichtungen gewachsen sind und auch nachkommen. Jede Erklärung von ihnen, sie würden dies tun, wäre zu peinlich.
Roland Weißmann weiß, wovon die Rede ist: Als Kandidat für seine heutige Funktion hat er eine zumindest unglückliche Figur gemacht. Etwa durch seine Teilnahme an einer Sitzung der türkisen Stiftungsräte mit einem weiteren prominenten Gast; nämlich Gerald Fleischmann, dem damaligen Medien-Checker von Sebastian Kurz. Das ergab ein Bild, das Weißmann nicht gut bekommen hat; damit ging die Botschaft einher, dass er gewissermaßen ÖVP-Generaldirektor werden soll. Gewählt worden ist er schließlich vom Stiftungsrat, in dem Türkise das Sagen haben.
Rückblickend kann man bemerken, dass das nicht nur schlecht war: Weißmann gilt als kompetenter Mann, der auch allemal entscheidungsfreudiger im Sinne des ORF ist als sein Vorgänger Alexander Wrabetz. Außerdem wurde er durch die türkise Punzierung gezwungen, erst recht zu beweisen, dass er‘s kann. Und im Übrigen sollte ihm dies auch möglich sein, nachdem die Kurz-Zeit Geschichte ist.
Abgesehen davon ist es wirklich so: Peter Klien hat unter Weißmann wieder einen Sendeplatz, der ORF-Redakteursrat protestiert in einer Deutlichkeit gegen die Sideletter, dass es eine Freude ist, der Öffentlich-Rechtliche hat offenbar verhindert, als Impflotterie-Abwickler in den Geruch zu kommen, Regierungsfunk zu sein, in zahlreichen Sendungen gibt es brillanten Politikjournalismus.
Das ist gut. Was bleibt, ist jedoch dies: Dieser Postenschacher setzt alle, die im staatlichen oder staatsnahen Bereich tätig sind, unter Generalverdacht. Ob zu Recht oder zu Unrecht. spielt keine Rolle. Öffentliches Misstrauen gerade auch gegen Medien und Einrichtungen des Rechtsstaates ist bestärkt.
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