ANALYSE. Irgendwann erfüllt die Sozialdemokratie noch jede Forderung des Koalitionspartners. Im Irrglauben, das Thema damit aus der Welt schaffen zu können.
Bundeskanzler und SPÖ-Chef Christian Kern bemüht sich ja, die politische Debatte umzulenken; weg von Asyl- und Fremdenwesen, hin zu Jobs, Unternehmertun, Energiewende etc. Auch in seiner Rede zum „Plan A“ in der Welser Messehalle wurde dies deutlich. „Flüchtlinge“ kamen da nur am Rande, gegen Ende seiner Ausführungen vor. Was nachvollziehbar ist: Zu gewinnen ist da auf die Schnelle nichts; wenn, dann profitieren allenfalls die Freiheitlichen davon. Das Dumme für Kern ist nur, dass der Koalitionspartner nicht mitspielt: Vizekanzler Reinhold Mitterlehner, Innenminister Wolfgang Sobotka und Integrationsminister Sebastian Kurz nützen jede Gelegenheit, eine Verschärfung zu fordern. So auch nach der Festnahme eines 17-jährigen Terrorverdächtigen am vergangenen Wochenende; diese ist für sie ein Grund mehr, zusätzliche Videoüberwachung, Fußfesseln für Gefährder und eine Halbierung der „Asyl-Obergrenze“ zu verlangen.
So bleibt das Thema auf der Agenda. Zum Leidwesen Kerns bzw. der Sozialdemokratie. Ja, es ist noch schlimmer für sie; sie sind hilflos: Man kann davon ausgehen, dass die öffentliche Meinung hier eindeutig auf der Seite von Mitterlehner und Co. liegt. Sie mögen damit den Freiheitlichen in die Hände spielen, entscheidend ist aber, dass wohl eine erdrückende Mehrheit alle möglichen Verschärfungen unterstützt.
Man muss kein Hellseher sein, um davon auszugehen, dass dem Koalitionspartner wieder etwas einfallen wird.
Also nehmen diese Geschichten den bereits gewohnten Verlauf: Die ÖVP verlangt eine Maßnahme, die SPÖ reagiert zurückhaltend. Die ÖVP wiederholt sich – die SPÖ signalisiert in Person von Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil Zustimmung. So auch dieser Tage: „Es ist ganz wichtig, dass wir in diesen heiklen Fragen, in denen es um Sicherheit geht, gewillt sind, entsprechende Lösungen auf den Tisch zu legen“, so der Burgenländer im Ö1-Morgenjournal. Einmal mehr also gibt die Sozialdemokratie klein bei – wohl wieder in der Hoffnung, dass sich das leidige Thema damit aber wirklich endgültig erledigt und es möglich wird, über Jobs, Unternehmertum, Energiewende und anderes zu reden. Allein: Das ist ein Irrglaube.
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Man muss kein Hellseher sein, um davon auszugehen, dass dem Koalitionspartner wieder etwas einfallen wird: Warum nach einer Halbierung der Asylweber-Obergrenze nicht überhaupt ein Stopp für alle Flüchtlinge, die aus Nicht-Bürgerkriegsländern kommen? Oder sonst irgendetwas. Der Phantasie ist erfahrungsgemäß keine Grenze mehr gesetzt. Und so lange die SPÖ nicht aufhört, zu meinen, das Thema verdrängen zu können bzw. anfängt, selbst „pro-aktiv“ in dem Sinne zu werden, dass sie eine eigene Politik dazu entwickelt, wird sie erpressbar bleiben; was im Hinblick auf jederzeit mögliche Neuwahlen im Übrigen brandgefährlich für sie ist.