Anstandslos Niederösterreich

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ANALYSE. Nationalratspräsident Sobotka offenbart politische Kulturlosigkeit. Bezeichnend ist, dass sie ohne Konsequenzen bleibt.

„Sie kennen das Geschäft. Fürs Inserat gibt’s ein Gegengeschäft.“ Es ist ein Glück, dass Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) nicht irgendjemandem, sondern „Österreich“-Herausgeber Wolfgang Fellner antwortete. Hier fühlte er sich verstanden und musste nicht lange um den heißen Brei herumreden. Also: Bei einem Inserat gibt es in Sobotkas Welt offenbar nicht nur die Veröffentlichung und einen adäquaten Betrag dafür. Es wundert ihn nicht einmal, dass ein Glücksspielkonzern in einer Broschüre seines Alois-Mock-Vereins wirbt, obwohl beide (Broschüre und Verein) weithin unbekannt sind. Es ist für ihn selbstverständlich, dass der Konzern auch ein Konzert des Kammerorchesters seiner Heimatstadt sponsert, das er dirigiert. Und dann lässt er gegenüber Fellner auch noch wissen, dass der Konzern vom Land Niederösterreich beraten wird, wen er mit einem insgesamt sechsstelligen Betrag fördern könnte (was das Land gegenüber dem „Standard“ bestätigte).

Das alles hat mit Verhältnissen, wie sie in einer Demokratie und einem Rechtsstaat selbstverständlich sein sollten, nichts zu tun. Es zeugt eher von einem Land, das in zu großen Teilen seines Systems kaputt ist, um es mit den Worten von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zu sagen. (Wobei er das im Sommer natürlich nicht auf Niederösterreich bezogen hat, sondern auf Staaten wie Italien.)

Wo soll man anfangen? Dem Konzern wird hier kein Vorwurf gemacht. Das Problem ist eine Anstandslosigkeit auf Seiten des Landes Niederösterreich und des Nationalratspräsidenten. Das Land berät den Konzern, wen er sponsern könnte. Würde alles angemessen ablaufen, wäre folgende Vorgangsweise naheliegend in einem solchen Fall: Erstens, das Land macht sämtliche Empfehlungen transparent und öffentlich. Zweitens, es lässt unabhängige (oder möglichst unterschiedliche) Experten zur Beratungstätigkeit schreiten. Und drittens, es hält fest, dass eine Unterstützung von Einrichtungen und Personen, bei denen zu große Nähe zur Politik besteht, nicht empfohlen werden darf. All das ist nicht gemacht worden. Und damit entsteht hier auch schon ein Geruch.

Würde Wolfgang Sobotka seine Funktionen voller Demut, Einsicht und Verantwortung bekleiden, wären strengste Maßstäbe selbstverständlich für ihn: Es würde von allem die Finger lassen, was auch nur die Idee eines Interessenskonflikts entstehen lassen könnte. Für Einrichtungen, bei denen er eine wichtige Rolle spielt, würde er entweder nur „Kugelschreiber, Kalender und Klumpert“ geben lassen; oder ausschließlich Gegenleistungen, die einen plausiblen Umfang haben (bei Inseraten zum Beispiel ein Betrag pro Zeitungsexemplar) – und beides würde er auf einer Website fortlaufend bekanntgeben.

Freilich: Das ist beinahe undenkbar. Und das wiederum sagt viel aus über die politische Kulturlosigkeit, die hier gepflegt wird. Gesteigert wird sie nur noch durch den Umstand, dass sie wohl ohne Konsequenzen bleibt für Sobotka und das Land Niederösterreich.

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