Am falschen Fuß erwischt

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ANALYSE. Andreas Babler kommt nicht umhin, sich Migration und Integration sowie Außen- und Europapolitik zu widmen, wenn er bei der kommenden Wahl wirklich 30 Prozent erreichen möchte.

Zum Schlimmsten für eine Partei oder einen Politiker gehört, wenn kaum noch über das gesprochen wird, wofür sie stehen wollen. Siehe SPÖ und Andreas Babler. In den vergangenen Tagen waren sie (unfreiwillig) eher nur folgendermaßen Teil von Schlagzeilen. Erstens: Auf dem Bundesparteitag am 11. und 12. November werden der burgenländischen Landeshauptmann Hans Peter Doskozil und dessen Mitstreiter fehlen. Diese ließen sich mit der Begründung entschuldigen, dass am 11. November Landesfeiertag („St. Martin“) ist und sie daher unabkömmlich seien. Zumal der Tagungsort Graz unerreichbar weit entfernt ist von Eisenstadt, möchte man hinzufügen. Aber das ist zynisch.

Zweitens: Fixiert werden soll eine Statutenreform, die mehr Basisdemokratie vorsieht, aber nicht so viel, wie Babler gerne hätte. Eine allgemeine Wahl soll es nur dann geben, wenn es mehr als einen Kandidaten gibt und einer davon (mindestens) rund 1500 Unterstützungserklärungen von Mitgliedern vorlegen kann.

Die Punkte eins und zwei stehen verhängnisvollerweise exakt gar nicht für das Ziel von Babler, die Lebensverhältnisse einer Masse zu verbessern. Beziehungsweise sich um gerechte Verhältnisse in dem Sinne zu bemühen, dass niemand Bittsteller:in sein muss, Vermögende mehr Steuern zahlen etc.

Womit Punkt drei umso katastrophaler wirkt: Schon wieder berichten Ö1 und „Wiener Zeitung“ Neues zum Thema Kleingärten. Städtebund-Generalsekretär Thomas Weninger habe 2011 von der Gemeinde Wien einen Grund um 370.000 Euro gekauft und nach einer absehbaren Umwidmung nur sechs Jahre später um 660.000 Euro verkauft. Wohnbaustadtrat war damals Michael Ludwig. Heute ist er Präsident des Städtebundes. Damals war es Ex-Bürgermeister Micheal Häupl.

Wieder so eine Geschichte also, zu deren Außenwirkung man Altbundespräsident Heinz Fischer zitieren kann, der (wie berichtet) zu den Kleingarten-Geschäften jüngst gemeint hat, „traurig“ gewesen zu sein, als er davon gehört habe. Nicht „weil ich schon irgendein exaktes Bild hatte (…), sondern weil es das Klima beeinträchtigt und weil es viele redliche Menschen gibt, die dann sagen ‚Aha, da gibt es doch Gleiche und noch Gleichere‘.“

Das macht Babler zu schaffen. Doch nicht nur das: Die Themenlage entfernt sich von ihm. Damit hat er ganz offensichtlich nicht gerechnet. Natürlich haben nach wie vor zu viele Menschen zu kämpfen mit hohen Preisen. Mehr und mehr steht jedoch dies im Vordergrund: Wirtschaftliche Aussichten, die sich eingetrübt haben. Schon im Sommer haben bei einer Statistik Austria-Erhebung sechs von zehn Befragten gemeint, dass sich die Wirtschaftslage in den kommenden zwölf Monaten verschlechtern werde. Darauf muss ein Kanzlerkandidat sichtbar reagieren. Wenn er bei der kommenden Wahl wirklich 30 Prozent für die SPÖ erreichen möchte, muss er für einen mindestens so großen Teil der Wählerschaft den Eindruck erwecken, zu wissen, wie man das meistern könnte.

Zweitens: Migration und Integration wären in der Problemwahrnehmung einer Masse ohnehin schon weit vorne gestanden. Mit dem, was nun aufgrund der Nahostkrise einhergeht, könnten sie das schon bald noch viel mehr tun bzw. tun es ja schon. Allein der Bilder von Hamas-Sympathisanten in Österreich haben eine Wirkung, die man schwer überschätzen kann: Sie sind beunruhigend und werden als Integrationsversagen gesehen. Ein Versagen, das gerne Sozialdemokraten und Grünen allein in die Schuhe geschoben wird und bei dem sie traditionell in der Defensive sind.

Drittens: Außen- und Europapolitik war einmal etwas, was Sozialdemokraten wichtig war. Es ist ein Fehler, sie nach wie vor zu vernachlässigen. Vor allem weil sie in einer destabilisierten Welt immer relevanter wird und man, gerade wenn man Wert auf die Neutralität legt, hier eine Rolle spielen muss.

Nicht, dass man mit einer engagierten Außen- und Europapolitik Wahl gewinnen würde. Es würde aber politischer Verantwortung entsprechen, wäre für eine Kanzlerkandidatenpartei eine Pflichtübung sowie ein bedeutendes Unterscheidungsmerkmal gegenüber den Mitbewerbern ÖVP und FPÖ, die das Ganze ja gerne mit Innenpolitik verwechseln.

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