Wie man ein Problem „löst“

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ANALYSE. Pensionen: Die Alterssicherungskommission steht dafür, Herausforderungen ganz einfach auszublenden.

Pensionen sind insofern sicher, als es zu einem ungeschriebenen Gesetz der österreichischen Politik geworden ist, sie unter dem Motto „Koste es, was es wolle“ zu finanzieren. Vernünftig ist das nicht; vernünftig wäre es, sich schlicht ein Bild davon zu machen, wie die Entwicklungen sind, welche Herausforderungen man in absehbarer Zeit noch zu bewältigen hat (Klimakrisenfolgen, Sicherheit etc.) und wie man das alles unter einen Hut bringen könnte. Beziehungsweise, welche Steuern- und Abgabenquote man bereit ist, zu tragen. Das wäre dann eine politische Entscheidung, die so oder so ausfallen könnte.

Stattdessen lässt man die Dinge jedoch einfach laufen und daran hat der Rechnungshof gerade in einem Bericht zur Nachhaltigkeit des Pensionssystems erinnert. Er selbst ortet einen Handlungsbedarf. Zitat: Mittelfristig sehe er „aufgrund des stark steigenden Beitrags des Bundes zur Finanzierung des Pensionssystems (um 8,2 Mrd. EUR auf 28,1 Mrd. EUR von 2020 bis 2030) in Kombination mit den sonstigen budgetären Belastungen (Energiekrise, Teuerung, COVID–19–Pandemie) die Nachhaltigkeit des Pensionssystems und die Finanzierbarkeit des Bundeshaushalts gefährdet.“

Zur Beobachtung der Nachhaltigkeit würde es eine Alterssicherungskommission geben. Alle drei Jahre sollte sie einen Bericht über die langfristige Entwicklung und Finanzierbarkeit bis zum Jahr 2050 erstellen. Darauf aufbauend sollte die Bundesregierung an den Nationalrat berichten. „Dieser Mechanismus funktionierte jedoch nur ungenügend“, so der Rechnungshof: „2017 kam die Alterssicherungskommission der Verpflichtung zur Berichterstattung nicht nach. Erst 2021 – also vier Jahre später – legte sie ein „Langfristgutachten“ vor. Die Bundesregierung unterließ dazu jedoch die erforderliche Berichterstattung an den Nationalrat.“ Und überhaupt: „Weder die Alterssicherungskommission noch die Bundesregierung traf eine gesamthafte Aussage über die Nachhaltigkeit.“

Bezeichnend: Seit bald zwei Jahren ist der Vorsitz über die Kommission vakant. Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) sowie Bundeskanzler Karl Nehammer und Finanzminister Magnus Brunner (beide ÖVP) bringen kein Einvernehmen über die Nachfolge für Ex-Chef Walter Pöltner zusammen. Das bringt auch etwas zum Ausdruck.

Die Zusammensetzung der Kommission ist sozialpartnerschaftlich geprägt. Neben Vertretern von Ministerien gehören ihr unter anderem Vertreter der Kammern sowie des Gewerkschaftsbundes an. Wobei die sozialdemokratisch dominierte Arbeiterkammer und ebendieser die Kommission im Grunde ablehnen.

Geschaffen wurde sie Anfang der 2000er Jahre unter dem damaligen Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP). Die Arbeiterkammer stellt auf ihrer Website fest: „Hintergrund bildete das erklärte Ziel, das öffentliche System stark zu schwächen und teilweise mit privater, kapitalgedeckter Vorsorge zu ersetzen.“ Anders ausgedrückt. Die Kommission sollte längerfristig eine empirische Grundlage dafür liefern, an allen möglichen Stellschrauben zu drehen: Beitragssatz, Kontoprozentsatz, Anfallsalter, Pensionsanpassung und Bundesbeitrag.

Arbeitnehmervertreter in der Kommission haben kein Interesse daran. Und Regierungsvertreter mittlerweile auch nicht mehr: Der grüne Teil der Regierung tickt in Pensionsfragen eher wie die Arbeiterkämmerer und Gewerkschafter als wie Wolfgang Schüssel. Und der türkise Teil tut es indirekt auch: Er hat sich – mit Blick auf Freiheitliche, die das ebenfalls tun – Populärem verschrieben. Und seit Schüssels Wahlniederlage 2006 weiß man, dass nichts unpopulärer ist als eine Pensionsreform. Also lässt man es. Komme auf nachfolgende Generationen zu, was wolle.

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