Absolut Kurz

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ANALYSE. Im Hinblick auf Afghanistan und die oö. Landtagswahl bestimmt der Kanzler und ÖVP-Chef wieder verstärkt die österreichische Politik. Wesentliche Mitbewerber fügen sich oder schweigen.

Seltsam, dass „Framing“ kaum noch ein Thema ist. So wirkungsvoll wie heute ist es schon lange nicht mehr betrieben worden in Österreich. Vereinfacht ausgedrückt geht es darum, durch gezielte Formulierungen bestimmte Vorstellungen beim Publikum auszulösen, gegen die schwer ankommen ist. Statt „Flüchtlinge“ setzt sich beispielsweise mehr und mehr „illegale Migration“ durch. Tirols Landeshauptmann Günter Platter (ÖVP) hat am Wochenende beim Forum Alpbach beispielsweise ausdrücklich davor gewarnt, dass es im Zusammenhang mit „illegaler Migration“ zu einem Auseinanderdividieren der Gesellschaft kommen könnte. Es ließ zwar offen, wie er das meint, sein Parteikollege, Innenminister Karl Nehammer, redet aber immer von „illegaler Migration“, ohne zwischen (potenziellen) Flüchtlingen im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention und anderen zu differenzieren. Flüchtlingen werden damit ziemlich pauschal ihre Rechte abgesprochen.

Durchgesetzt hat das vor allem Kanzler und ÖVP-Chef Sebastian Kurz. Wie so viele andere Framings. „2015 darf sich nicht wiederholen“, etwa. Oder: Bei allen notwendigen Maßnahmen vor Ort kann das kleine Österreich nicht alles Leid der Welt allein beseitigen. Das müsse man sich eingestehen. „Es ist nicht alles in unserer Macht.“ Das klingt, als wäre man bereit, zu tun, was möglich ist, würde so gesehen also in einem Widerspruch zur Botschaft stehen, dass es unter seiner Führung „keine freiwillige Aufnahme“ weiterer Afghanen geben werde, wenn da nicht auch die Anmerkung wäre, dass man ohnehin schon mehr als 40.000 ins Land gelassen habe und diese Leute noch dazu schwer zu integrieren seien (vgl. PULS 24-Sommergespräch vom Sonntagabend).

These: Das bleibt bei einer Masse hängen. Und genau das ist auch das Ziel: Laut einer „Heute“-Umfrage sind auch jetzt 60 Prozent der Menschen gegen die Aufnahme afghanischer Flüchtlinge, darunter ganz besonders ÖVP- und viel mehr noch FPÖ-Anhänger. Um sie geht‘s.

Den Beginn des politischen Aufstiegs von Sebastian Kurz kann man selbstverständlich nicht auf ein Datum reduzieren. Zu den entscheidenden Ereignissen, auf die er später wirkungsvoll in seinem Sinne reagierte, zählt jedoch die Landtagswahl in Oberösterreich, die gemeinsam mit einer steirischen und einer burgenländischen mit dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise 2015 zusammenfielen. SORA-Wahltagsbefragungen zufolge standen sie ganz im Schatten dieses Ereignisses. Ergebnis: Die ÖVP brach um mehr als zehn Prozentpunkte auf 36,4 Prozent ein, die FPÖ rückte ihr – mit einer Verdoppelung des Stimmenanteils auf mehr als 30 Prozent – rechte nahe. Wobei auffällt, dass die Volkspartei mehr als ein Fünftel ihrer ursprünglichen Wähler (!) an die Freiheitlichen verlor.

Bei der oö. Landtagswahl am 26. September 2021 sieht sich Kurz nun gefordert, wie schon auf Bundes- nun auch auf genau dieser Landesebene zu einer Überwindung einer großen ÖVP-Krise beizutragen. Wobei es tief blicken lässt, wie sehr sich politische Mitbewerber dem Rahmen bzw. dem Framing unterwerfen, das er definiert hat oder wie sehr sie sich überhaupt abmelden: Ersteres tat zuletzt etwa SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner, die das „2015 darf sich nicht wiederholen“ übernahm. Zweiteres tun die Grünen, die laut Ö1-Morgenjournal zu Kurz‘ jüngsten Aussagen erklären, es sei schon alles gesagt. Klar, Ausnahmen gibt es da wie dort; Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) etwa, der die Aufnahme von Flüchtlingen fordert oder die Regierungsverhandlerin Birgit Hebein, die unter Protest bei den Grünen ausgetreten ist. Der Punkt ist jedoch, dass solche Stimmen in der Minderheit sind – und Hebein überhaupt resigniert hat.

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