ANALYSE. Der Nationalratspräsident ist nicht nur für seine Partei eine Belastung, sondern auch für das Hohe Haus. Er trägt zum Wasserschaden bei, von dem Van der Bellen redet.
Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) wünscht sich laut APA einen „moderateren Umgangston“ im Hohen Haus. Das „Anpatzen“ sei „unerträglich“ und schade der Demokratie.
Das ist interessant: Es ist noch nicht eine Woche her, da bezeichnete Sobotka Thomas Schmid als „Baron Münchhausen“, bezichtigte diesen also, ein Lügner zu sein, und meinte, man kenne „den Charakter dieses Mannes“.
Dass Schmid Sobotka belastet, gegen Steuerprüfungen interveniert zu haben, tut hier nichts zur Sache. Sobotka könnte sich rechtlich zur Wehr setzen, aber nicht durch eine so unerträgliche Anpatzerei, um es in seinen Worten zu formulieren.
Frei nach Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat das österreichische Parlament einen echten Wasserschaden. Durch die laufende Sanierung wird dieser nicht behoben werden. Es handelt sich um kein bauliches Problem.
Das Problem beginnt beim Naitonalratspräsidenten und dem Mann, dem er 2017 durch Mobbing gegen den damaligen Vizekanzler Reinhold Mitterlehner und den seinerzeitigen Kanzler Christain Kern, den er als Innenminister schlicht als Versager bezeichnete, zum Aufstieg verholfen hat: Sebastian Kurz. Unlängst hat Kurz gestanden, dass das Parlament nicht seins gewesen sei. Was soll das heißen? Hätte er lieber ohne Volksvertretung regiert? Man kann nur Mutmaßungen dazu anstellen, es gibt keine Debatte darüber, Kurz muss sich nicht weiter erklären dazu. Es ist aber bekannt, dass er das Parlament geringgeschätzt hat.
Natürlich: Alle Abgeordneten tragen dazu bei, wie das Parlament dasteht. Bleiben wir aber an der Spitze, die besondere Verantwortung trägt. Sobotka hat keine Hemmung, die Unvereinbarkeit Vorsitzender eines Untersuchungsausschusses und Auskunftsperson ebendort zu praktizieren; er als Partei-Rambo wohlgemerkt, der gerne auch Kurz zu Diensten war, um den es im Ausschuss immer wieder geht.
Da darf man sich nicht wundern darüber: Dass das Parlament erstmals einen negativen Vertrauenswert aufweist und dass Sobotka selbst von den Bürgerinnen und Bürgern fast so sehr misstraut wird wie Herbert Kickl. Bei der jüngsten OGM-Erhebung für den APA-Index erklärten 77 Prozent, sie würden Kickl nicht vertrauen, Sobotka folgte mit dem zweitschlechtesten Wert von 72 Prozent (auf der anderen Seite gaben bei beiden nur 17 Prozent an, ihnen zu vertrauen).
Dem Nationalratspräsident selbst gibt das nicht zu denken. Wie er gegenüber der APA erkennen lässt, betrachtet er sich als Opfer der Opposition und sieht sich daher umso mehr gefordert, Standhaftigkeit zu beweisen.
Wolfgang Sobotka ist aufgewachsen in einer geschlossenen politischen Kultur. In Niederösterreich. Für Inserate gibt es ein Gegengeschäft und als mächtige Person findet man nichts Anrüchiges dabei, sie für eine Zeitschrift eines Vereins, den man selbst gegründet hat, von einem großen Glücksspielkonzern genauso annehmen zu lassen wie von Landesgesellschaften. Compliance-Regeln unbekannt.
Wie dieser Wasserschaden behoben werden könnte, ist schleierhaft. Die ÖVP wird sich aber etwas einfallen lassen müssen: An Sobotka wird sie gemessen. Genauer: An ihrem Umgang mit ihm. Kurz ist schließlich schon weg.
Als Nationalratspräsident ist er nicht abwählbar. Karl Nehammer ist als Parteichef zu schwach, um ihn zum freiwilligen Rückzug bewegen zu können. Von daher ist es andererseits aber fast schon wieder ein Glück, dass Sobotka Niederösterreicher ist und dass die Bundesparteiorganisation ohnehin mehr oder weniger unter Kontrolle der blau-gelben Volkspartei steht, die neuerdings auch den Generalsekretär ebendort stellt.
Und überhaupt: Um Johanna Mikl-Leitner einst den Weg zur Landeshauptfrau zu ebenen, hat der damalige Landeshauptmann Erwin Pröll Wolfgang Sobotka aus seiner Landesregierung weggelobt bzw. zum Innenminister gemacht. Ja gemacht. Es entsprach den parteiinternen Machtverhältnissen. Heute sind sie nicht anders. Insofern ist nun Mikl-Leitner am Zug.