Wien: Rot-Grün ist angezählt

KOMMENTAR VON JOHANNES HUBER AUF VIENNA.AT. Wollen Vassilakou und Co. auf Dauer eine Regierungspartei sein, müssen sie lernen, nicht nur in den Bobo-Bezirken über Wohlfühlthemen zu philosophieren, sondern auch mit Favoritnern, Simmeringern und Floridsdorfen über ihre Sorgen und Nöte zu reden. 

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KOMMENTAR VON JOHANNES HUBER AUF VIENNA.AT. Wollen Vassilakou und Co. auf Dauer eine Regierungspartei sein, müssen sie lernen, nicht nur in den Bobo-Bezirken über Wohlfühlthemen zu philosophieren, sondern auch mit Favoritnern, Simmeringern und Floridsdorfen über ihre Sorgen und Nöte zu reden.

Ausgerechnet Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) sprach in einer ersten Stellungnahme nach der Gemeinderatswahl davon, dass sich einiges ändern müsse. Von dem Spitzenkandidaten, der trotz Verlusten als der größte Sieger wahrgenommen wurde, hätte man das am wenigsten erwartet. Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou (Grüne) hätte zumindest ebenso gute Gründe gehabt, Konsequenzen zu ziehen. Doch sie war vor allem damit beschäftigt, zu erklären, warum sie nicht zurücktritt – und zu betonen, dass Rot-Grün nun ja fortgesetzt werden könne.

Während Häupl also gemerkt hat, was sich da am Sonntag getan hat, tat Vassilakou so, als sei es an ihr vorbeigegangen. Daher sei es an dieser Stelle noch einmal festgehalten: Rot-Grün hat fünfeinhalb Prozentpunkte verloren und hält (mit 51,4 Prozent) nur noch knapp die Stimmenmehrheit. Was allein schon ein Hinweis darauf ist, dass diese Koalition keine Begeisterungsstürme ausgelöst hat. Untermauert wird dies durch das Ergebnis der SORA/ORF-Wahltagsbefragung; gerade einmal 13 Prozent sind demnach mit der bisherigen Stadtregierung „sehr“ und 41 Prozent „eher zufrieden“ gewesen.

Jetzt könnten SPÖ und Grüne natürlich so weitermachen wie bisher. Doch dann müssten sie damit rechnen, bei der nächsten Gemeinderatswahl auch die absolute Mandatsmehrheit zu verlieren. Und das kann nicht im Interesse der beiden sein.

Also müssen sie handeln: Was sind die Gründe dafür, dass sie so dürftig abgeschnitten haben? Mögliche Antworten: Die Flüchtlingsströme haben viele Menschen beunruhigt; dass die Stadtregierung die Syrer, Afghanen und Iraker so offen empfangen hat, haben sie daher nicht verstanden. Aufgrund der Rekordarbeitslosigkeit ist die Unzufriedenheit in der Bevölkerung ohnehin schon groß gewesen. Kriminalität und immer mehr Staus sind weitere Ärgernisse, die hinzugekommen sind und die die Wahlentscheidung beeinflusst haben.

Alles in allem sind das natürlich keine guten Rahmenbedingungen für SPÖ und Grüne gewesen; zumal Heinz-Christian Strache auch noch Ängste geschürt und mit den Emotionen gespielt hat. Sehr wahrscheinlich hätten sie aber auch ohne ihn nicht triumphiert.

Umso wichtiger ist es für sie, zu reagieren. Was im Übrigen gar nicht so schwer wäre: Michael Häupl beispielsweise hat in den letzten Wochen davon profitiert, dass er rund um die Uhr in der Stadt unterwegs war und bei jeder Gelegenheit erklärt hat, warum Flüchtlingshilfe eine Selbstverständlichkeit sein muss. Den einen oder anderen hat er damit überzeugen können. Würde er das auch in wahlkampffreien Zeiten und bei anderen Problemen machen, er wäre noch viel erfolgreicher.

Viel mehr aber noch gilt das für die Grünen: Wollen Vassilakou und Co. auf Dauer eine Regierungspartei sein, müssen sie lernen, nicht nur in den Bobo-Bezirken über Wohlfühlthemen zu philosophieren, sondern auch mit den Favoritnern, Simmeringern und Floridsdorfen über ihre Sorgen und Nöte zu reden. Denn das ist in der Kommunalpolitik schon die halbe Miete: Zuhören und begreifen, wie das echte Leben außerhalb des Rathauses so ist.

> Dieser Beitrag ist zunächst auf VIENNA.AT erschienen.

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