Widerstand abgemeldet

ANALYSE. Bei ihren Vorhaben haben Kurz und Strache im Moment nichts zu befürchten: Wien und Sozialpartner sind de facto führungslos. 

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ANALYSE. Bei ihren Vorhaben haben Kurz und Strache im Moment nichts zu befürchten: Wien und Sozialpartner sind de facto führungslos.

Ganz abgesehen von den Motiven, der finanziellen Wirkung und den Konsequenzen von Einschnitten bei der Mindestsicherung und einer Zusammenlegung der Sozialversicherungsträger: Viel besser könnte der Zeitpunkt dafür aus Sicht von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) nicht sein. Die, die am ehesten Widerstand leisten könnten, haben sich nämlich selbst abgemeldet. Was einem außerordentlichen Geschenk für die Regierungssitze gleichkommt.

Wo soll man anfangen? Sachlich betroffen sind von den geplanten Maßnahmen bei der Mindestsicherung die Länder, die über das „Armenwesen“ dafür zuständig sind, wie es im Bundes-Verfassungsgesetz wörtlich heißt. Aus den eigenen, also den schwarz-türkisen und den blauen Reihen, ist dagegen nicht viel zu erwarten: Der eine oder andere Landeshauptmann wird sogar froh sein, wenn nicht er sich darum kümmern muss, sondern der Bund gewisse Kürzungen vornimmt; im Übrigen entlastet das auch die Landesbudgets.

Man könnte auch sagen: Wien hat sich vorübergehend selbst neutralisiert. 

Am ehesten noch könnte Wien eine Rolle spielen. Allerdings: Die SPÖ-geführte Stadt, die zugleich Land ist, hat gerade keinen handlungsfähigen Bürgermeister. Michael Häupl hat zu früh seine Nachfolge klären lassen oder er geht zu spät. Wie man will. Faktum ist: Er ist noch im Amt, spielt aber keine Rolle mehr. Der künftige Bürgermeister Michael Ludwig spielt bereits eine kleine Rolle, ist aber noch nicht im Amt. Man könnte auch sagen: Wien hat sich vorübergehend selbst neutralisiert.

Abgesehen davon hat Ludwig allerdings ohnehin schon wissen lassen, dass er die Mindestsicherung auch ganz gerne beschränken möchte. Was nicht ohne Folgen für seine Partei auf Bundesebene sein kann: Wenn der Vorsitzende der mächtigsten Landesorganisation zumindest teilweise auf Regierungslinie ist, kann SPÖ-Chef Christian Kern aus der Opposition heraus nicht mehr viel machen. So gerne er es auch tun würde.

Sie haben eine alte Führung, die noch nicht weg ist und eine neue, die noch nicht da ist. 

Ähnlich verhält es sich bei den Sozialpartnern, die über die Zusammenlegung der Sozialversicherungsträger und eine Beschränkung der Selbstverwaltung vor dem wohl größten Machtverlust nach 1945 stehen: Widerstand bräuchte Gesichter, ein oder zwei Wortführer. Doch wer soll dafür in Frage kommen? Das Problem ist: Gewerkschaftern und Kämmerern geht’s wie Wien. Sie haben eine alte Führung, die noch nicht weg ist und eine neue, die noch nicht da ist.

Das muss einem erst einmal einfallen: Da kommt eine neue Regierung, die ordentlich umrühren will und das naturgemäß zu Beginn ihrer Amtszeit tun wird – und dann lässt sich zum Beispiel Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl monatelang Zeit mit seinem Abschied. Erst am 18. Mai darf Ex-Wirtschaftsminister Harald Mahrer übernehmen. Oder: Im November des vergangenen Jahres hat AK-Präsident Rudolf Kaske seinen Rückzug mitgeteilt, im Februar tat dies ÖGB-Präsident Erich Foglar. Doch ihre Nachfolger Renate Anderl (AK) und Wolfgang Katzian (ÖGB) sind noch immer nicht im Amt.

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