Unheilvolle Länderachse

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ANALYSE. Mikl-Leitner, Ludwig und Doskozil tun alles, damit es zu noch Schlimmerem kommt. Wie Kurz und Anschober gehören sie zur Rechenschaft gezogen.

Damit hier nicht nur „Negativs“ steht: Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) hat etwas gemacht, was selbstverständlich sein sollte, aber außergewöhnlich ist: So sehr er in den vergangenen Wochen trotz einer Inzidenz von mehr als 50 bestätigten Infektionen pro 100.000 Einwohner und sieben Tagen für eine Öffnung der Gastronomie gekämpft hat, so entschlossen hat er nach Bekanntwerden eines Clusters reagiert. Östlich des Arlbergs hat man kaum mitbekommen, dass die Ausreise aus dem betroffenen Leiblachtal unweit von Bregenz nur noch mit einem negativen Test möglich ist.

Gewöhnlich ist ganz anderes: In Tirol sind „südafrikanische“ Mutationsfälle aufgekommen, und Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) hat zuerst einmal (schier) ewig lang beschwichtig und Beschränkungen in Andreas-Hofer-Manier zurückgewiesen. In Wiener Neustadt ließ sich der Bürgermeister trotz einer Inzidenz von mehr als 400 viele Tage Zeit, bis er so tat, als hätte er den Ernst der Lage erkannt. Im Bezirk Bregenz hat man nun dagegen bei einer Inzidenz von zunächst unter 100 nicht lange gefackelt. Damit haben Wallner und Co. nicht nur gezeigt, dass sie von Versäumnissen im Herbst, als die Zahlen in die Höhe schossen, gelernt haben; sie haben auch demonstriert, dass Notwendiges möglich ist (ob es reichen wird, ist offen).

Die Landeshauptleute der Ostregion, also Johanna Mikl-Leitner (ÖVP), Michael Ludwig (SPÖ) und Hans Peter Doskozil (SPÖ), sind weit davon entfernt. Bis zuletzt haben sie auf Lockerungen gedrängt. Ludwig träumte von großflächigen Schanigärten und Mikl-Leitner von „geregelten Sozialkontakten, etwa im Wirtshaus“. Das sind grundsätzlich Dinge, über die man diskutieren sollte. Aber nicht zur Unzeit: Die Zahl der Intensivpatienten steigt in der Region gerade extrem stark an. Und wenn es einmal so weit ist, hilft eher nur noch eine Notbremse: Selbst eine Verdoppelung der Intensivkapazitäten würde lediglich ein paar Tage Luft verschaffen.

Für das, was nun folgt, sind nicht alleine Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) verantwortlich. Es sind zumindest ebenso die kraft Realverfassung gerne gleichrangigen Landeshauptleute. Wie auf diesem Blog schon öfter ausgeführt, setzen Kurz und Anschober nur einmal etwas Einschneidendes gegen den Willen dieser Fürsten durch; es wird ihr letztes Mal gewesen sein. Kurz weiß das und legt es erst gar nicht darauf an. De Auseinandersetzung überließ er in den vergangenen Tagen – zum Teil im Kanzleramt (!) – Anschober allein, der kaum etwas erreichen konnte.

Die ostösterreichische Osterruhe für sechs Tage wird laut Komplexitätsforscher Peter Klimek kaum etwas bringen. Zumal Reiseregelungen vollkommen offen sind, obwohl sich die ersten Leute aus den Bundesländern (es sind Zehnttausende, die allein in Wien leben) bereits auf den Weg machen. Und so weiter und so fort: Unterm Strich ist davon auszugehen, dass sich diese dritte Welle unter diesen Umständen in den Frühsommer hinein ziehen wird.

Im vergangenen Jahr hat es bei viel niedrigeren Werten (auch bezüglich Hospitalisierungen) und einem harten Lockdown bis Mitte Mai gedauert, bis die Lokale wieder aufsperren durften. Das bedeutet, dass neben allen anderen auch die wirtschaftlichen und sozialen Schäden durch Nicht-, Zu-wenig- oder Zu-spät-Handeln auf einen größeren Zeitraum ausgeweitet und damit in Summe vergrößert werden.

Der Chefredakteur des „British Medical Journal“, Kamran Abbasi, hat in einem Leitartikel im Februar gefordert, Regierungen für fatale Fehlentscheidungen in der Pandemie zur Rechenschaft zu ziehen. Das hat was: Sie sollten zumindest belegen, ob und inwieweit sie nach bestem Wissen und Gewissen für die gesamte Gesellschaft gehandelt haben. Dazu wären auch die Landeshauptleute angehalten. Das würde dem einen und der anderen vielleicht klarmachen, dass bloßes Schielen auf Popularitätswerte sträflich ist.

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