ANALYSE. Weil es der ÖVP nutzt, wird in Oberösterreich mit viel Steuergeld eine kleinteilige Gemeindestruktur aufrechterhalten. Die Landflucht hält trotzdem an.
Zweimal zwei Gemeinden haben sich in jüngerer Vergangenheit in Oberösterreich zusammengetan: Rohrbach und Berg sowie Aigen und Schlägl, beide im Mühlviertel. Jetzt sind es nur noch 442, aber immer noch zu viele.
169 der oberösterreichischen Gemeinden zählen weniger als 1.500 EinwohnerInnen, macht in Summe knapp 163.000 Menschen. Anders gesagt: Gut ein Drittel der Kommunen – 38,2 Prozent – bringt gerade einmal 11,3 Prozent der Gesamtbevölkerung auf die Waage.
Eine politische Initiative zu einer tief greifenden Reform, die eine Zusammenlegung von Klein- und Kleinstgemeinden zum Ziel hätte, ist freilich nicht in Sicht und auch im aktuellen Wahlkampf kein Thema. Die ÖVP blockt ab: „Keine Zwangsfusionen!“, lautet ihr Credo. Gemeindezusammenlegungen dürfe es nur auf freiwilliger Basis geben. Wenn die ÖVP nicht will, passiert in Oberösterreich gar nichts. Auch keine Reformpartnerschaft á la Steiermark.
Der Grund für die noble Zurückhaltung ist durchschaubar: Die ÖVP profitiert von der Kleinteiligkeit, die ihre Machtbasis darstellt. In den Städten traditionell eher schwach, holen die Schwarzen einen gut Teil ihrer Stimmen auf dem Land. LT-Wahl 2009: In 226 Gemeinden, also ziemlich genau der Hälfte, gab es weniger als 1.500 Stimmberechtigte (insgesamt 201.990); von diesen wählten 95.885 die ÖVP – knapp ein Viertel ihres Gesamtergebnisses (400.365). In Linz, Wels und Steyr (zusammen 210.000 Wahlberechtigte) fuhr sie hingegen nur etwa halb so viele Stimmen (49.592) ein.
Je kleiner die Gemeinde, umso größer das ÖVP-Stück am Kuchen. In gerade einmal vier der 131 Kommunen mit weniger als 1.000 Wahlberechtigten war bei der LT-Wahl 2009 die SPÖ am stärksten, in allen übrigen die ÖVP. Und: In 112 dieser Gemeinden erobert sie die absolute Mehrheit – bis hin zu einer Reihe von Ergebnissen jenseits der 70-Prozent-Marke.
Und so werden im ureigensten Interesse der Schwarzen nach dem Motto „Kleinvieh macht auch Mist“ Strukturen aufrechterhalten, die in dieser Form nicht mehr zeitgemäß sind. Gut ein Drittel der Gemeinden (155) wird heuer laut Voranschlag im ordentlichen Haushalt nicht ausgleichen bilanzieren. Es sind fast ausnahmslos die Kleinen, die nicht einmal ihre laufenden Ausgaben aus eigener Kraft bestreiten können. Sie hängen am Landestropf und werden künstlich am Leben erhalten, indem die Abgänge regelmäßig abgedeckt werden. Wirtschaftliche Abhängigkeit erzeugt politische Dankbarkeit.
Die Abwanderung kann so freilich nicht gestoppt werden. Ländliche Regionen dünnen zunehmend aus, während der Zentralraum Speck ansetzt. Die Wohnbevölkerung von Linz wächst beständig und sollte noch heuer die 200.000er-Grenze überschreiten.
Trotzdem wurde in den vergangenen Jahren querbeet munter in kommunale Infrastruktur – von Gemeindeämtern über Schulen und Kindergärten bis hin zu Bauhöfen und Feuerwehrhäusern – investiert. Und das mit kräftiger Landeshilfe in Form von Bedarfszuweisungen. Deren Vergabe sei intransparent, eine umfassende Strategie bei der Auswahl der geförderten Projekte nicht erkennbar, kritisierte der Landesrechnungshof bereits 2012. Die Leistbarkeit sei jedenfalls nicht das wesentliche Kriterium, die Autonomie der Gemeinden werde systematisch ausgehöhlt.
Die Politik sollte weniger kommunale Einzelprojekte fördern, sondern sich mehr an regionalen Notwendigkeiten orientieren, rieten die Prüfer. Und: Die „äußerst angespannte Finanzsituation“ vieler Gemeinden erforderte eine „grundsätzliche Neuausrichtung der kommunalen Strukturen“. In diesem Sinne wirbt der Landesrechnungshof beharrlich für die Zusammenlegung von Gemeinden. Die Einsparungspotenziale seien beträchtlich, bei Personal- und Sachkosten ebenso wie bei den Ausgaben für die politischen Funktionsträger.
Doch da ist die ÖVP vor. Sie stellt exakt drei Viertel der Bürgermeister und hat zuletzt 5.011 der insgesamt 9.528 Gemeinderatsmandate erobert. Dieses Personal sichert eine flächendeckende Organisationsstärke, die mit viel Steuergeld aufrechterhalten wird.