Neuwahlen: ÖVP verdribbelt sich

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ANALYSE. Jetzt will ausgerechnet der Großkoalitionär Schützenhöfer (ÖVP) in der Steiermark einen vorgezogenen Urnengang. Auch ihm ist die Partei wichtiger als das Land.

Die „Kleinezeitung“ hat sich in ihrem Newsletter schon vor wenigen Tagen schwergetan, ihrer Verwunderung darüber Ausdruck zu verleihen: Wie aus dem Nichts hatte die FPÖ im steirischen Landtag einen Neuwahlantrag eingebracht. Und ÖVP-Chef, Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer, der sich in einer selbsternannten Reformpartnerschaft mit den Sozialdemokraten befindet, sprach sich nicht etwa dagegen aus, sondern begann, sich damit anzufreunden. Ergebnis: Heute (Donnerstag) verkündete er, sich um einen vorgezogenen Urnengang im November zu bemühen.

Die Sache ist durchschaubar: Auch in der Steiermark kann die Volkspartei dank einer angeschlagenen FPÖ und einer schwachen SPÖ zurzeit nur gewinnen. Und zwar haushoch. Das ist eine nahezu historische Chance für die Partei allein: Nachdem das einst tiefschwarze Land unter Waltraud Klasnic rot geworden war, könnte nun die alten Verhältnisse wiederhergestellt werden.

Das könnte sich jedoch zu einer Art Pyrrhussieg entwickeln. Wieder einmal denkt ein ÖVP-Vertreter eher nur an sich und seine Partei und weniger ans Land. Auf Bundesebene ist eine Regierungszusammenarbeit seit 1995 exakt fünf Mal vorzeitig abgebrochen worden. Und zwar ausschließlich von Politikern der österreichischen Volkspartei – zwei Mal von Wolfgang Schüssel, einmal von Wilhelm Molterer („Es reicht“!) und zwei Mal von Sebastian Kurz („Genug ist genug!“). Wobei es nicht so ist, dass es bisweilen gar nicht begründbar gewesen wäre. Andererseits aber war der ÖVP immer schon vorab klar gewesen, auf wen sie sich einlässt – und gab es zudem keine Versuche von ihr, einen fliegenden Wechsel vorzunehmen und eine andere Koalition zu bilden (zumal die Wähler keine Koalitionen, sondern Parteien wählen, wäre das absolut möglich gewesen).

Wie Kurz (bei der Nationalratswahl Ende September) wird wohl auch Schützenhöfer ziemlich erfolgreich sein am Wahltag. Was aber werden die beiden davon haben? Sie werden als große Sieger, in gewisser Weise aber auch als große Verlierer dastehen. Konkret: Sebastian Kurz hat 2017 mit der Sozialdemokratie nachhaltig gebrochen; bis heute wirft er ihr Reformverweigerung vor und ließ durch Christiane Hörbiger gerade erst nachtreten. Im Mai hat sich Kurz zudem von den Freiheitlichen getrennt. Mag sein, dass in deren Reihen etwa Norbert Hofer darüber hinwegblickt. Insbesondere ÖVP-Ländervertreter wollen jedoch nichts mehr von Schwarz-Blau wissen. Das ist ihnen zu widerlich. Im Übrigen gilt: Wer weiß, ob Hofer bei den Freiheitlichen das Sagen behält? Garantie dafür gibt es keine.

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Wie auch immer: Nach der kommenden Nationalratswahl hat Sebastian Kurz aus heutiger Sicht zwei Möglichkeiten: Er kann wieder mit den Freiheitlichen zusammengehen und so tun, als wäre nichts gewesen. Oder er muss sich trotz aller Vorbehalte an die SPÖ wenden. In beiden Fällen steigt er schlecht aus; das ist wie Pest oder Cholera, die man noch dazu selbst befeuert hat.

Verwunderlicher noch ist die ganze Sache bei Schützenhöfer: Der Mann hat erst im Juli für eine schwarz-rote Koalition auf Bundesebene geworfen. Jetzt zerstört er eine solche Konstellation in seinem Zuständigkeitsbereich ohne jede Not – wobei er in Erwartung eines eigenen Triumpfs eine krachende Niederlage der SPÖ in Kauf nimmt und das Verhältnis zum „Reformpartner“ damit auch nachhaltig beschädigt.

NACHTRAG. „Und was ist mit Hans Peter Doskozil?“ In diesem Text kommt er nicht vor, wie ein Leser auf Twitter anmerkt. Das ist korrekt, er hätte erwähnt werden müssen. Der burgenländische Landeshauptmann und Chef einer rot-blauen Koalition hat ebenfalls ohne Not vorgezogene Landtagswahlen ausgerufen. Anlass war die Veröffentlichung des Ibiza-Videos. Nach heutigem Wissenstand haben burgenländische Freiheitliche jedoch nichts damit zu tun. Wie die ÖVP auf Bundesebene und in der Steiermark geht der Sozialdemokrat Doskozil davon aus, von ihrer Krise profitieren zu können. Mit zumindest einem potenziellen Koalitionspartner nach der Wahl hat er es sich jedoch nicht verscherzt: der ÖVP.

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