ANALYSE. Mit Günther Platter dürfte nun ein weiterer Ländervertreter nach Mikl-Leitner gestärkt werden. Was das für Sebastian Kurz bedeutet.
Mit der ÖVP ist es in der Vergangenheit ja so gewesen: Starke Ländervertreter hielten sich einen Bundesobmann, bis sie ihn nach wenigen Jahren fallen ließen und das Ganze mit einem neuen „Chef“ wiederholten. Da capo al fine. Erst 2017 war es wirklich vorbei damit: Zum einen, weil es keine starken Ländervertreter mehr gab; und zum anderen, weil die verbleibenden froh darüber waren, die Volkspartei in Wien ganz Sebastian Kurz übertragen zu können; damit hatten sie mit dieser de facto nichts mehr zu tun.
Was die starken Ländervertreter angeht, gibt es nun freilich ein Revival: In Niederösterreich hat Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) Überraschendes zustande gebracht. Sie schaffte es doch glatt, die absolute Mehrheit, die ihr Erwin Pröll hinterlassen hatte, zu verteidigen. Womit es ihr in kurzer Zeit gelungen ist, ein echter Machtfaktor in der gesamten ÖVP zu werden. Was in diesem Ausmaß vor einem Jahr eben nicht unbedingt zu erwarten gewesen ist.
Wie auch immer: Jetzt ist Mikl-Leitner da und könnte bald Zuwachs erfahren. Nicht, dass ihre steirischen oder oberösterreichischen Parteifreunde an vergangene Erfolge wieder anschließen könnten. Im Rahmen der Tiroler Landtagswahl könnte dies nun aber Günther Platter gelingen: Viel spricht dafür, dass er die ÖVP wieder deutlich über 40 Prozent führen könnte. Und damit hätte er auch in der Bundespolitik entscheidendes Gewicht, ist Tirol doch kein kleines Land.
Ländervertretern ist es ein Leichtes geworden, zu sagen, dass die Bundes-ÖVP, auf die sie keinen Einfluss mehr hätten, leider anders entschieden habe.
Für Bundeskanzler und Bundesparteichef Sebastian Kurz hat all das jedoch noch nicht viel zu bedeuten. Zum einen würde es ihm die interne Arbeit sogar erleichtern, hätte er damit doch wenigstens zwei Ansprechpartner, die wirklich etwas zu sagen haben. Anders ausgedrückt: Ist er sich mit ihnen eins, ist die jeweilige Sache gegessen.
Zum anderen hat sich in der ÖVP in den vergangenen Monaten eine Art CDU/CSU-Modell herauskristallisiert, das im Interesse beider Seiten ist: Was aus Sicht der Ländervertreter bleibt, ist ja, dass sie sich der Bundesorganisation entledigt haben. Und dass sie damit im schlimmsten Fall auch das viel besser machen können, was sie ohnehin schon immer gerne getan haben: Gegen Wien schimpfen.
Ein bisschen sieht man das schon bei der nunmehrigen „Don’t Smoke“-Geschichte: Ländervertretern ist es ein Leichtes, zu sagen, dass sie für ein generelles Rauchverbot wären, dass aber halt leider die Bundes-ÖVP, auf die sie keinen Einfluss mehr hätten, anders entschieden habe. Es stimmt zu einem guten Teil sogar. Womit es diese Ländervertreter unterm Strich ihren Leuten vor Ort eben genauso recht machen können, wie es Kurz gegenüber dem Koalitionspartner möglich ist.
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