Keine Kultur des Rücktritts

KOLUMNE VON LIBERO. Mit der Übernahme politischer Verantwortung ist es hierzulande nicht allzu weit her. Aus Versagen wird konsequent keine persönliche Konsequenz gezogen. 

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KOLUMNE VON LIBERO. Mit der Übernahme politischer Verantwortung ist es hierzulande nicht allzu weit her. Aus Versagen wird konsequent keine persönliche Konsequenz gezogen.

Wolfgang Sobotka denkt also nicht daran, nach dem Desaster rund um die Präsidentschaftswahl zurückzutreten. Ganz im Gegenteil. Schließlich hat er weder die fehlerhaften Briefkuverts gedruckt noch eigenhändig zusammengeklebt, und bei der Stichwahlpanne war er sowieso noch nicht im Amt.

So einfach ist das mit der politischen Verantwortung, wenn sie niemand übernimmt. Da schafft es ein Ministerium nicht, eine simple Wahl unfallfrei zu organisieren, und der Chef erklärt dem um sein demokratisches Recht gebrachtes Volk, warum das mit ihm rein gar nichts zu tun habe. Und warum er sich gerade jetzt nicht einfach vom Acker machen dürfe, sondern vielmehr dafür sorgen müsse, dass Österreich irgendwann doch noch einen neuen Bundespräsidenten bekommt. Klingt ehrenhaft, ist aber nur peinlich.

Politik ist ein hartes Geschäft, das in der öffentlichen Wahrnehmung leider in erschreckend großem Ausmaß gering bis gar nicht geschätzt wird. 

Politik ist ein hartes Geschäft, das in der öffentlichen Wahrnehmung leider in erschreckend großem Ausmaß gering bis gar nicht geschätzt wird. Das liegt zu einem guten Teil an den Akteuren im Bund und in den Ländern, weil sie es etwa beharrlich nicht schaffen, dringend notwendige und immer wieder angekündigte Reformen umzusetzen. Das schlechte Ansehen von Politik haben wesentlich aber auch die Verantwortungslosen zu verantworten, die Populisten in der Opposition, die die eigene Branche permanent schlecht machen, um selbst besser dazustehen. Daraus resultiert ein katastrophales Image von Politik, was wiederum zu einer Negativauslese führt. Wirklich Qualifizierte wollen sich Politik nicht antun und schaffen Platz für weniger Qualifizierte. Solche Menschen kleben auf ihren einmal eroberten Sesseln. Es mangelt an Rücktrittskultur.

Der Hypo-Untersuchungsausschuss hat mehr als ein Jahr lang versucht, politische Verantwortung für das von Kärnten ausgehende Milliardendesaster festzumachen. Wie zu erwarten, gibt es unter den Fraktionen keine einhellige Meinung dazu. Zu starr sind die Grenzen gezogen, zu eng ist der jeweilige Horizont, als dass es einen Sinn für das Gesamte geben könnte. Also wird wechselseitig abgerechnet, in der Hoffnung, damit bei der eigenen Klientel punkten zu können.

Darüber hinaus und vor allem muss es darum gehen, eklatantes Systemversagen aufzudecken und die dafür Verantwortlichen zu benennen.

Es ist klarerweise leicht, im Nachhinein eine politische Entscheidung als falsch zu erkennen. Das ist wichtig, um Fehler künftig zu vermeiden und dafür Vorkehrungen zu treffen, etwa durch bessere Gesetze, greift aber zu kurz. Darüber hinaus und vor allem muss es darum gehen, eklatantes Systemversagen aufzudecken und die dafür Verantwortlichen zu benennen.

Der Untersuchungsausschuss hat deutlich gemacht, dass ein guter Teil der Schuld am Hypo-Skandal bei Jörg Haider zu suchen ist, was allerdings schon vorher bekannt war. Der ehemalige Kärntner Landeshauptmann hatte seine ganze hypertrophe Politik auf Aggression und Klamauk aufgebaut. Das war kostspielig und ging gut, so lange genug Geld da war – bis das fragile Gebäude einstürzte und das Land Kärnten pleite war.

Schüssel ließ Haider zum Dank dafür, dass er ihn auf den Kanzlerthron gehoben hatte, unten in Kärnten schalten und walten, wie es ihm gefiel. 

Die politische Letztverantwortung dafür, dass es so weit kommen konnte, liegt woanders: bei Wolfgang Schüssel. Er ließ Haider zum Dank dafür, dass er ihn auf den Kanzlerthron gehoben hatte, und damit er sich von der Bundespolitik möglichst weit fernhielt, unten in Kärnten schalten und walten, wie es ihm gefiel. Zudem bekam Haider ausreichend Spielgeld, um seine Spektakelpolitik treiben zu können. Das Klagenfurter Stadion, extra für die Fußball-Europameisterschaft 2008, aber ohne jede Perspektive für eine sinnvolle Nachnutzung gebaut, oder die mittlerweile komplett abgetragene Wörtherseebühne sind eindrucksvolle Beispiele für dieses ruinöse, von Wien aus kräftig mitfinanzierte Agieren.

Haider lebt nicht mehr und Schüssel ist politisch nicht mehr aktiv, jedenfalls nicht offiziell. Sie müssen also nicht mehr zum Rücktritt aufgefordert werden. Jedoch muss klar benannt werden, auf welchem Boden der Hypo-Skandal nur gedeihen konnte und wer diesen Boden bestellt hat. Alles, was dann an mehr oder weniger geglückten oder missglückten Rettungsversuchen folgte, ist ebenfalls zu benennen, jedoch zweitrangig.

Wer sich für das harte politische Geschäft als nicht geeignet erwiesen hat, sollte es bleiben lassen. 

Es geht bei der Aufarbeitung von derart gravierenden Fehlleistungen in erster Linie um das Aufdecken von Ursachen, gegebenenfalls um strafrechtliche Ahndung sowie um die Zuteilung politischer Verantwortung samt persönlichen Konsequenzen, sprich: Rücktritt. Wer sich für das harte politische Geschäft als nicht geeignet erwiesen hat, sollte es bleiben lassen.

Die beiden Innenminister, die die Blamage bei der Präsidentschaftswahl politisch zu verantworten haben, Johanna Mikl-Leitner und Wolfgang Sobotka, kommen aus Niederösterreich. Und sie wären nicht in die Bundesregierung aufgestiegen, wenn es ihr Landeshauptmann Erwin Pröll nicht so gewollt hätte. Er hat die beiden für geeignet gehalten, dieses wichtige Staatsamt auszuüben.

So einfach könnte es mit politischer Verantwortung sein: Erwin Pröll gesteht öffentlich ein, die falschen Personen ausgesucht zu haben, fordert Sobotka auf zurückzutreten und ersucht seine Partei demütig, jemand anderen zu nominieren. Er wird es nicht tun.

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