ANALYSE. Das Verhalten von SPÖ und ÖVP in der Flüchtlingspolitik macht Glawischnig und Co. eine Zusammenarbeit schwer bis unmöglich. In den Ländern werden erste Bruchlinien sichtbar.
So schnell kann es gehen in der Politik: Im Wiener Gemeinderatswahlkampf hatten die Grünen das Problem, dass sich die Sozialdemokraten unter Bürgermeister Michael Häupl zu entscheidenden Flüchtlingsfragen links von ihnen profiliert haben; das kostete ihnen ein paar Tausend Stimmen. Zuletzt ist Häupl jedoch auf ihre rechte Seite gewechselt, womit sie ein Problem mit dem Koalitionspartner bekommen haben, mit dem sie zusammenarbeiten sollten.
Womit auch der Kern der Sache erreicht wäre: Können sich die Grünen eine von Verwerfungen in der Flüchtlingspolitik geprägte Koalitionszusammenarbeit überhaupt leisten? Viel eher noch als in Wien müssen sie sich mit dieser Frage in Westösterreich auseinandersetzen, wo sie gemeinsam mit einer Volkspartei regieren, deren Vertreter gleich eine „Obergrenze“ durchsetzen wollen; oder ein Landeshauptmann wie der Vorarlberger Markus Wallner (ÖVP) Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) droht, ein Asylabkommen aufzukündigen, wenn er an seiner „Willkommenskultur“ festhalte, die ja auch die Grünen propagieren. Zu halten ist eine Koalition unter solchen Umständen auf Dauer jedenfalls schwer. Vorarlbergs Vize-Landeshauptmann Johannes Rauch von den Grünen sah sich denn auch schon gezwungen, Wallners Ansinnen zurückzuweisen und zu erklären, dass man dem nicht zustimmen würde.
Auch die Sozialdemokraten entfernen sich vom Grünen-Standpunkt, indem sie sich allmählich mit einer Art „Obergrenze“ anfreunden: Häupl hat bereits wissen lassen, dass man nicht mehr so viele Flüchtlinge aufnehmen könne wie im Vorjahr. Und Faymann signalisiert seine Kompromissbereitschaft in der Sache gegenüber der Volkspartei.
Wo bleiben da die Grünen? Eine Auseinandersetzung darüber ist nicht in Sicht. Stattdessen sind weitere Spannungen in den Koalitionen mit SPÖ und ÖVP in Wien, Salzburg, Kärnten, Tirol und Vorarlberg vorprogrammiert – bis einer wie Rauch nicht mehr anders kann, als die Reißleine zu ziehen.
Die Sache ist jedoch komplizierter. Die Grünen werden früher oder später klären müssen, was für sie wichtig ist: Sind es, ganz besonderes in der Flüchtlingspolitik, prinzipielle Fragen? Ist es die Aussicht, das Spektrum links der Mitte zunehmend alleine besetzen zu können? Oder steht über alledem die Möglichkeit, um einen immer höher werdenden Preis mitzuregieren und dafür da und dort etwas beeinflussen zu können?