Eine Art Wählerbetrug

Gastkommentar von Johannes Huber auf VIENNA.AT. 329.773 Wiener haben im vergangenen Herbst für die SPÖ gestimmt. Viele taten dies, um der freiheitlichen Flüchtlingspolitik eine Absage zu erteilen. Jetzt haben sie diese trotzdem bekommen. 

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Gastkommentar von Johannes Huber auf VIENNA.AT. 329.773 Wiener haben im vergangenen Herbst für die SPÖ gestimmt. Viele taten dies, um der freiheitlichen Flüchtlingspolitik eine Absage zu erteilen. Jetzt haben sie diese trotzdem bekommen.

Ist den Wiener Sozialdemokraten die Flüchtlingspolitik, die die rot-schwarze Bundesregierung neuerdings betreibt, egal? Erinnert sich der Vorsitzende, Bürgermeister Michael Häupl, nicht mehr an die Worte, die er im vergangenen Herbst ausgesprochen hat? „Wenn jemand vor den Gewehrläufen von Mörderbanden flieht und um Hilfe bittet, dann helfen wir!“, sagt er: Ganz im Gegensatz zum freiheitlichen Spitzenkandidaten Heinz-Christian Strache, der „sogar“ gemeint habe, dass Krieg kein Asylgrund sei, wie er meinte: „So viel Charakterlosigkeit und Niedertracht muss man einmal haben. Wie viele unserer sozialdemokratischen Gründungsväter, die in anderen Ländern Schutz gesucht haben, wären bei so einer Haltung gestorben. Menschen, die zu uns kommen, die vor den Mörderbanden der IS flüchten, die nur die Alternative zwischen Tod und Vertreibung haben, denen muss geholfen werden!“

Am Tag, nachdem der SPÖ-Chef diesen Satz ausgesprochen hatte, stimmten bei der Gemeinderatswahl 329.773 Wienerinnen und Wiener für die SPÖ. Viele taten dies in Anerkennung der Haltung, die Häupl da zum Ausdruck gebracht hat bzw. in Ablehnung des Kurses, den Strache verfolgt. Das führte dazu, dass die Sozialdemokraten viel klarer als es Meinungsforscher vorhergesagt hatten, vorne blieben. Doch Dankbarkeit ist bekanntlich keine politische Kategorie. Im Gegenteil: Diese Wähler werden maßlos enttäuscht.

Natürlich wird die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung nicht unmittelbar von der Wiener SPÖ gemacht. Dass die von ihr abgelehnte Obergrenze oder das „Asyl auf Zeit“ und die Grenzkontrollen eingeführt werden, ist vor allem der Bundespartei und ihrem Vorsitzenden Werner Faymann anzulasten. Immerhin haben die Stadträtinnen Renate Brauner und Sonja Wehsely ihren Unmut darüber geäußert. Doch Häupl hat an einer der entscheidenden Verhandlungsrunden im Kanzleramt teilgenommen und damit auch ein Stück weit beigetragen zum Ergebnis (in diesem Fall der „Obergrenze“).

Viel entscheidender ist, dass Häupl und Co. das, was sie im Gemeinderatswahlkampf in den Vordergrund gestellt haben, nicht mehr so wichtig nehmen.

Viel entscheidender aber noch ist, dass Häupl und Co. das, was sie im Gemeinderatswahlkampf so eifrig in den Vordergrund gestellt haben, nicht mehr so wichtig nehmen, dass sie sich bis zur letzten Konsequenz dafür einsetzen. Oder ist das etwa zu viel verlangt? Woher: Zumal sich die Sozialdemokratie vom Boden- bis zum Neusiedlersee in einem historischen Niedergang befindet und da und dort nur noch sektiererisch unterwegs ist, haben die Wiener umso mehr Gewicht. Sie bilden die letzte Bastion, wenn man so will: Sie könnten Faymann anschaffen, wenn sie nur wollten. Ja, sie könnten Faymann sogar stürzen.

Gut, so weit hätten sie in den letzten Tagen und Wochen nicht gleich gehen müssen. Aber die Flüchtlingspolitik hätten sie mit ihm abstimmen können. Damit ihm klar gewesen wäre, was er zumindest zu berücksichtigten hat. Doch darauf haben sie aus unerfindlichen Gründen verzichtet – und so das Unsägliche zugelassen und Tausende Wähler betrogen.

> Dieser Beitrag ist zunächst auf VIENNA.AT erschienen.

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