ANALYSE. Besser als für Sebastian Kurz ist die Ausgangslage nach dem Strache-Gudenus-Ibiza-Gate für Michael Ludwig. Die Krise der Wiener FPÖ ist größer als die der Bundespartei.
Dankbarkeit ist keine politische Kategorie und Schadenfreude ganz generell keine schöne. Es ist jedoch so: Am meisten profitiert vom Absturz von Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) und FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus nicht Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), sondern Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ). Und zwar in dem Sinne, dass er jetzt eigentlich nur gewinnen kann. Zumindest von der Ausgangslage her. Immerhin stehen in der Bundeshauptstadt spätestens im kommenden Jahr Gemeinderatswahlen an und die Krise der Wiener FPÖ ist noch größer als die der Bundespartei.
Es soll Kurz jedoch Schlimmeres passieren.
Doch eines nach dem anderen: Auf Bundesebene ist Kurz plötzlich mit einer extrem geschwächten FPÖ konfrontiert. Es soll ihm jedoch Schlimmeres passieren: Die Partei ist immer auch sein größter Mitbewerber. Aus Sicht der ÖVP laufen von und zu ihr die entscheidenden Wählerströme. Sprich: Geht’s der FPÖ schlecht, geht’s ihr gut.
Allerdings: Totgesagte leben länger. Nachrufe auf die FPÖ sind verfrüht. Gerade die Bundesorganisation verfügt mit Verkehrsminister Norbert Hofer und Innenminister Herbert Kickl über zumindest zwei Leute, die zwar sehr viele Gegner, aber auch nicht wenige eingefleischte Anhänger haben. Sie sind profiliert und sollten daher nicht unterschätzt werden. Wie auch immer man zu ihnen steht.
Wiens Bürgermeister Michael Ludwig wiederum ist nicht nur zwei entscheidende Mitbewerber im Hinblick auf die Gemeinderatswahl los. In der Landespartei hat die FPÖ im Übrigen niemanden, der mit Hofer und Kickl vergleichbar wäre.
Heinz-Christian Strache hat in den vergangenen Jahren die FPÖ auf Bundes- und auf Wien-Ebene geführt. Dort ist er Landesparteiobmann. Seit er Vizekanzler ist, wird er als solcher jedoch von einem geschäftsführenden Landesparteiobmann entlastet. Sein Name: Johann Gudenus. Neben ihnen sind da in der Donaumetropole noch Leute wie Vizebürgermeister Dominik Nepp oder Stadträtin Ursula Stenzel anzutreffen. Mit ihnen ist eine passable Wahlkampagne jedoch alles andere als selbstverständlich. Was Stenzel zu bekannt ist, ist Nepp zu unbeschrieben.
Ludwig hat potenziellen FPÖ-Wählern schon sehr viele Angebote gemacht.
Doch zurück zu Michael Ludwig: Gegenüber Kurz und anderen Sozialdemokraten hat er noch ein paar Vorteile, was die Perspektiven angeht. Erstens, er hat mit diesen Freiheitlichen nicht koaliert; doch zweitens hat er potenziellen FPÖ-Wählern seit seinem Amtsantritt vor einem Jahr schon sehr viele Angebote gemacht – vom Alkoholverbot auf dem Praterstern bis zum „Wiener zuerst“-Kurs in Form des „Bonus“, den Menschen bei Wohnungs- und Stellenvergaben erhalten sollen, die schon länger in der Stadt leben.
Für Ludwig trifft sich’s nebenbei gut, dass ÖVP-Wien-Chef und Spitzenkandidat Gernot Blümel zuletzt eher keine Wahlempfehlungen für sich selbst abgegeben hat. Einmal durch die Zurschaustellung zweifelhafter Computerkenntnisse bei der Registrierungspflicht in Onlineforen. Und zuletzt durch einen Socken-Auftritt im Hohen Haus. Das eine durfte junge Urbane irritieren, das andere Gutbürgerliche.