1 Jahr Regierung ohne ÖVP

ANALYSE. Sebastian Kurz und die inszenierte Bewegung sind an die Stelle der alten Volkspartei getreten. Schwarz-türkise Konflikte sind daher nur logisch.

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ANALYSE. Sebastian Kurz und die inszenierte Bewegung sind an die Stelle der alten Volkspartei getreten. Schwarz-türkise Konflikte sind daher nur logisch.

Mit der ÖVP ist das so eine Sache: In den Ländern und darüber hinaus auch in den Bünden existiert sie nach wie vor; ja, da und dort, wie in Niederösterreich und in Salzburg, hat sie sich bei Wahlen zuletzt sogar behaupten oder gar zulegen können. In der Bundesregierung und im Nationalrat ist von ihr aber nur der Name übriggeblieben. Hier existiert sie nicht mehr, an ihre Stelle sind Bundeskanzler Sebastian Kurz und seine Bewegung getreten. Konflikte zwischen „Schwarzen“ und „Türkisen“ sind daher nur logisch.

„Als die ÖVP aus der Regierung flog“, hieß der Titel der dieSubstanz.at-Analyse vom 16. Dezember 2017. Das ist ein Jahr her, zugegebenermaßen aber noch immer nicht ganz ins Bewusstsein übergegangen. Insbesondere nach dem vernichtenden Ergebnis im ersten Durchgang der Bundespräsidenten-Wahl 2016 (elf Prozent für Partei-Kandidat Andreas Khol) haben die Landes- und Bündeobleute der ÖVP im Mai 2017 einen historischen Beschluss gefasst: In der Erkenntnis, dass sie die Bundespartei gegen die Wand gefahren hatten und sie daher nicht mehr zu retten ist, haben sie das, was von ihr übrig war, Sebastian Kurz übergeben. Und zwar ganz und de facto bedingungslos; in Überwindung demokratischer Spielregeln, wie sie auch in Parteien gelten sollten, haben sie ihm freie Hand sowohl in personellen als auch inhaltlichen Fragestellungen gegeben.

Neue Farbe, viele Quereinsteiger, nichts sollte an die alte ÖVP erinnern. Das war Teil seines Erfolgs. 

Kurz hatte gefordert, bekommen und sich an die Umsetzung gemacht: Neue Farbe, viele Quereinsteiger, nichts sollte an die alte ÖVP erinnern. Das war Teil seines Erfolgs. Und für die inhaltliche Neuausrichtung sind weniger Grundsätze als Stimmungen entscheidend; das heißt etwa restriktivere Migrationspolitik und null Pensionsreformen. Letzten Endes läuft all das auf seine Person hinaus; inszeniert wird eine türkise Bewegung, die mit ihm steht und fällt.

Die ÖVP, die „Schwarze“ meinen, ist von Landes- und Bündeobleuten aufgegeben worden; es gibt sie nicht mehr. 

All das muss Konflikte zwischen „Schwarzen“ und Türkisen“ provozierten, wie sie „Der Standard“ in einer ausführlichen Geschichte zusammengefasst hat: Kommunalpolitiker und andere namhafte Persönlichkeiten, die der alten ÖVP angehören oder nahestehen, stoßen sich am Kurz-Kurs. Das aber liegt in der Natur der Sache. Dieser hat nicht mehr viel mit ihrer ÖVP zu tun. Ja, es ist noch viel schlimmer für die Kritiker: Die ÖVP, die sie meinen, ist von Landes- und Bündeobleuten aufgegeben worden; es gibt sie nicht mehr.

Natürlich spielen diese Obleute nach wie vor mit Kurz zusammen; sie brauchen einander. Und natürlich kann sich das ändern, wenn Kurz eines Tages keine Wahlerfolge mehr einfährt. Ihn einfach ablösen und durch einen neuen Chef (oder eine neue Chefin) ersetzen, ist dann aber unmöglich. In Ermangelung einer bestehenden ist dann auf Bundesebene vielmehr die Gründung einer (wieder einmal) neuen ÖVP nötig.

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