Medienpolitischer Vernichtungsfeldzug

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ANALYSE. Zeitungen werden eingestellt oder ihre Nöte werden verschärft. Und dann will die Verfassungsministerin auch noch Medien gegenüber mutmaßlich korrupter Politik schwächen.

Die „Wiener Zeitung“, die älteste noch erscheinende Zeitung der Welt, steht nach bald 320 Jahren vor dem Ende. Die Gesetzesvorlage hat den Ministerrat passiert, bald wird im Nationalrat darüber abgestimmt. Grüne, geschweige denn türkise Abgeordnete signalisieren ihre Zustimmung.

Verbleibenden Zeitungen geht es deswegen nicht besser. Aus anderen Grünen haben sie zu kämpfen. Der „Kurier“ streicht 20 Stellen und auch die „Kleine Zeitung“ sorgte am Wochenende für einschlägige Meldungen. Wobei laut „Standard“ der gesamten Redaktion eine einvernehmliche Auflösung der Dienstverhältnisse angeboten worden sein soll. Die Chefredaktion widerspricht, der Betriebsrat berichtet, dass die Darstellung im Wesentlichen korrekt sei.

Ebenfalls im „Standard“ sagt Eugen Russ, Verleger der „Vorarlberger Nachrichten“, für die Zeitungsbranche: „Da kommt eine Katastrophe auf uns zu.“ Er ist überzeugt, dass sich bestehende Missstände durch ein neues ORF-Gesetz zu einer existenziellen Bedrohung ausweiten. Zitat: „Wir haben schon einen unglaublich schwierigen Medienmarkt. Was andere Länder in Form von verlässlichen Medienförderungen in Qualitätsmedien investieren, wird bei uns über Inserate von öffentlichen Stellen nach Gutsherrenart verteilt. Das führt zu Abhängigkeiten und zu Unterstellungen von Abhängigkeit, die wir alle nicht haben wollen. Solche Fälle werden gerade aufgearbeitet.“ Siehe „Österreich“, „Heute“ und „Krone“.

Mehr als 200 Millionen Euro fließen in Österreich in Form von öffentlichen Inseraten an Medien. Das trägt Geschäftsmodelle wie Gratiszeitungen und erspart es zu vielen außerdem, sich weiterzuentwickeln. Förderungen sind im Vergleich zu diesem Volumen verschwindend klein. Dabei müsste diesbezüglich, wenn es um Demokratie und einen Journalismus geht, der unverzichtbar dafür ist, geklotzt werden. Was, nebenbei bemerkt, auch so möglich wäre, dass Innovation gestärkt wird. Aber man will nicht.

Was ist schon Journalismus? Brutal formuliert: Für die österreichische Bundesregierung ein lästiges Übel. Journalismus-Ausbildung wird daher verstaatlicht. Zeitungen lässt man, wie ausgeführt, zugrunde gehen.

Und nebenbei sollen wichtige Freiheiten beschränkt werden. „Es braucht ein Zitierverbot aus Strafakten“, eröffnete Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) am Wochenende einen Thread auf Twitter, um mit Suggestivfragen zu enden: „Fänden Sie es angebracht, dass alle Ihre SMS öffentlich nachzulesen sind? Ich denke, die ehrliche Antwort wird „nein“ lauten. Die Privatsphäre gehört immer geschützt, nicht nur dann, wenn es opportun erscheint. Was denken Sie?“

Edtstadler hätte auch diese Fragen stellen können: „Finden Sie es wichtig, dass Aussagen wie „Hure der Reichen“ oder „Kriegst eh alles, was Du willst“ von Thomas Schmid und Sebastian Kurz an die Öffentlichkeit gekommen sind? Ist das von öffentlichem Interesse? Ich denke „ja“. Was meinen Sie?“

Was die Verfassungsministerin betreibt, ist durchschaubar: Seit Jahren ist sie die Abschaffung des Amtsgeheimnisses schuldig. Was sich jetzt abzeichnet, ist eine Augenauswischerei, eine Informationsfreiheit mit zu weitreichenden Einschränkungen und ohne Hilfe für Bürger, zu ihrem Recht zu kommen. Und zusätzlich will Karoline Edtstadler jetzt Politiker, die sich in einem politischen Sinne schuldig machen, schützen. Sprich: Sie will Vertuschung fördern und zu einer möglichst schwachen (Medien-)Öffentlichkeit beitragen.

PS: Fällt erst jetzt auf, dass Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) in diesem Text gar nicht vorkommt. Sie ist Handlangerin. Was nichts besser macht.

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