ANALYSE. Susanne Raab steht für einen medienpolitischen Neubeginn. Ein solcher ist überfällig. Ergebnisse sind jedoch absehbar – und werden sehr teuer für die Steuerzahler.
„Inseratenkorruption“ hat unter Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) einen türkisen Anstrich bekommen, der auch dem neuen ÖVP- und Regierungschef Karl Nehammer zu schaffen macht. Also signalisiert er eine Kurskorrektur. Erstens hat er die Zuständigkeit für die Medienpolitik an die Kanzleramtsministerin für allerlei, Susanne Raab (ÖVP), abgegeben und lässt diese zweitens von vorne beginnen. Ab Februar werde sie einen Prozess starten, kündigte sie in der ZIB2 an. In einem Ministerratsvortrag ist ein Problemaufriss enthalten: Inserate und Medienförderungen, bei denen es ein quantitatives Missverhältnis gebe, gehören sauber getrennt und gewissermaßen objektiviert. Bürgerinnen und Bürger sollen nachvollziehen können, warum etwa im Boulevard so und so viel geworben wird. Immerhin wird das mit ihrem Geld gemacht.
Zu viel sollte man sich nicht erwarten. So ist schon einmal bezeichnend, dass Nehammer eine Person ans Werk lässt, der die ganze Materie noch vollkommen fremd ist. Und deren politisches Gewicht überschaubar ist. Susanne Raab wird also wirklich von vorne bebinnen müssen und das bedeutet auch, dass Diskussionen, die schon 100 Mal geführt worden sind, ein 101. Mal geführt werden müssen. Das ist direkt eine Zumutung, vor allem, wenn eine Partei verantwortlich dafür zeichnet, die schon lange an der Macht ist (wobei Medienpolitik „erst“ seit 2017 ÖVP-Angelegenheit ist).
Vor allem aber dürfte es bei einer ernsthaften Reform kein Tabu geben. Im Ergebnis sollte es möglich sein, dass zum Beispiel der Verlag Österreich für alles, was es so macht, weniger Geld bekommt. Traut sich Raab das? Nein. Raab will nicht („Nicht die Politik hat darüber zu entscheiden, was Qualität ist“), Raab kann nicht. Der Gegenwind wäre zu stark für sie.
Wenn Qualität also kein Kriterium für Medienpolitik sein soll und sich diese bei niemandem anecken möchte, dann bleibt sie in demokratischer Hinsicht problematisch und wird zudem teuer für die Steuerzahler.
Konkret: Es ist davon auszugehen, dass eine Praxis fortgesetzt wird. Dass das quantitative Missverhältnis zwischen Inseraten und sonstigen Förderungen nicht durch ein Weniger für Inserate, sondern ein Mehr für Förderungen ausgeglichen wird. Wie bei der ökologischen Steuerreform: Weil Klimaschädliches wie das Dieselprivileg bleiben „musste“, zwang man sich, umso mehr klimafreundliche Akzente zu setzen. Das ist nicht der einfachste, aber der kostspieligste Weg.
Für Raab sind Regierungsinserate selbstverständlich. Es gehe um ein Informationsbedüfnis. Gerade in der Pandemie. Allein: In Österreich gibt es diesbezüglich eine Maßlosigkeit, die ihresgleichen sucht. Dafür fließt ein Vielfaches an Steuergeld als etwa in Deutschland oder in der Schweiz. Und dabei wird es wohl auch bleiben: ÖVP und Grüne haben Ende 2020 Rahmenverträge für Kampagnen fixiert, die über vier Jahre hinweg bis zu 210 Millionen Euro kosten könnten.
Dahinter steckt ein zweifelhafter Geist: Politik glaubt, die Menschen über ohnehin Bekanntes in Kenntnis setzen bzw. Stimmung dafür machen zu müssen (man spricht ja auch ausdrücklich von „Kampagnen“). Essentielle Information wird nicht unabhängigem Journalismus überlassen, der sich allemal ausreichend darum kümmern würde, dieser wird vielmehr umgangen. Im Sinne der Message Control.
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