Jo-Jo-Republik

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ANALYSE. Einige Landeshauptleute durften Österreich tief in die vierte Welle hineinführen, alle dürfen das jetzt verstärkt darüber hinaus tun. Die Argumente sind nicht viel besser geworden. Coronapolitik wird so eher noch unglaubwürdiger.

Es müsse Schluss sein mit „dieser augenzwinkernden Wurschtigkeit“, wurde Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) ungewöhnlich deutlich am vergangenen Mittwoch. Gemeint hat er 2-G-Kontrollen in Gastronomiebetrieben. Genauso gut hätte er sich auch auf Landeshauptleute beziehen können.

Zur österreichischen Vergesslichkeit zählt, dass etwa Thomas Stelzer (OÖ) und Wilfried Haslauser (Salzburg) verziehen ist, worauf sie es vor nicht einmal einem Monat ankommen ließen und vor allem auch, wie sie das begründeten. Zur Erinnerung: Das Infektionsgeschehen war bereits so intensiv geworden wie sonst noch nirgends in Mitteleuropa, aus den Spitälern kamen eher kriegsähnliche Berichte. Antwort Stelzer: „Gott sei Dank“ habe man „viele Intensivbetten“. Antwort Haslauer: Virologen wäre es wohl am liebsten, „wenn sich jeder einzelne Salzburger und Österreicher in ein Zimmer einsperrt, weil da kann er sich nicht anstecken und niemanden infizieren. Er wird halt dann leider an Depression sterben, verhungern oder verdursten.“

Wenig später sahen sich beide gezwungen, die Notbremse zu ziehen, einen Lockdown zu verkünden und indirekt auch Fehler einzugestehen. Von Stezler ist jedenfalls der Aufruf an die Bevölkerung überliefert, (lieber?) auf Expertinnen und Experten zu hören.

Doch das ist eben vergessen. Die Republik macht weiter wie bisher. Korrektur: Trotz dieser Vorgeschichte durften Landeshauptleute noch bestimmender werden. Sie profitieren davon, nach dem Abgang von Sebastian Kurz mit der ÖVP die größere Regierungspartei wieder übernommen zu haben. Kurz-Nachfolger Karl Nehammer lässt sie gewähren.

Das Ergebnis, dass in den nächsten Tagen der bundesweite Lockdown durch einen „Fleckerlteppich“ aus Maßnahmen ersetzt wird, der sich von Land zu Land unterscheidet, ist noch nicht das Problem. Den wenigen Reisenden ist das zumutbar und in der Sache kann es vernünftig sein. Bis in den Herbst wurde sogar auf Bezirksebene differenziert, gab es Ausreisekontrollen dort, wo extrem viele Neuinfektionen auftraten.

Das Problem ist, dass mit fast so dürftigen Argumenten wie den erwähnten von Stelzer und Haslauer weitergemacht wird. Laut Günther Platter (Tirol) geht es darum, Wort zu halten und den Lockdown für Genesene und Geimpfte mit 12. Dezember zu beenden. Das ist ungefähr so, als würde man als Studierender nach 60 Minuten aufhören zu lernen – und nicht dann, wenn man den Stoff beherrscht. Nur schlimmer: Wenn die Lockerungen ohne überzeugende Strategie erfolgen, muss man befürchten, dass man – „wie gehabt“ – bald in die nächste Welle schlittert und wieder so lange zögert, bis ein fünfter Lockdown alternativlos erscheint.

Markus Wallner (Vorarlberg) hat für sein Land die weitreichendsten Lockerungen neben Tirol und dem Burgenland durchgesetzt. Sein Land habe zwar die höchste, wie die Umgebung aber eine rückläufige Inzidenz bestätigter Infektionen; im Übrigen entwickle sie sich nur um ein paar Tage verzögert zum übrigen Österreich, so Wallner. Andererseits aber kommt Omikron und weist Vorarlberg eine der niedrigsten „Drittimpfraten“ bundesweit auf (siehe Grafik). Auch PCR-Tests gab es bisher kaum.

Man kann unterstellen, dass der Politik besonders in Tourismusregionen jetzt Folgendes am Wichtigsten ist: Im Wissen, dass die Inzidenz im Moment und in den nächsten Tagen sinkt und dass das Weihnachtsgeschäft für die gesamte Saison von enormer Bedeutung ist, soll maximale Betriebsamkeit ermöglicht werden. Das könnte man in aller Offenheit sagen. Und gleichzeitig wäre es nicht zu viel verlangt, zu untersuchen, wie andere Länder ohne Lockdown über die Runden kommen und was man daraus lernen könnte. Es wäre das naheliegenste der Welt und auch im Sinne aller. Würde man glauben.

Solche Dinge zu unterlassen schwächt die Glaubwürdigkeit der Coronapolitik ebenso wie dies: Bei den nunmehrigen Lockerungen geht man sogar weiter als es von Touristikern vorgeschlagen wurde. Skiliftbetreiber und Hoteliers aus Lech am Arlberg haben sich vergangene Woche in einem offenen Brief bereit erklärt, 2-G-plus zu praktizieren. Also nur genesene und geimpfte Gäste zu empfangen, die auch bereit sind, sich testen zu lassen. Das können sie sich jetzt ersparen. Politik hat ihnen signalisiert, dass sie übervorsichtig waren.

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