KOMMENTAR. „Fake News“ sind in Zeiten größter Nervosität ein ernstzunehmendes Problem. Aber muss ein Kanzlervertrauter mit Polizeischülern dagegen vorgehen? Nein.
Wenn die Republik auf einen Notbetrieb heruntergefahren wird und persönliche Freiheiten ausgesetzt werden, kann man nervös werden: Dann versteht auch der oder die Letzte, dass von einer sehr grundlegenden Bedrohung ausgegangen wird. Folglich ist im ersten Moment sehr viel Geld von den Konten behoben worden und – ja – Klopapier gekauft worden. Das hat lustig geklungen, war es aber nicht. Es war eher Ausdruck einer Hilflosigkeit: Irgendetwas muss man ja kaufen, wenn man befürchtet, dass bald auch die Supermärkte geschlossen werden.
Was sich da getan hat, werden noch viele Wissenschaftler untersuchen. Was man heute sagen kann, ist, dass das ein Moment war, wie es ihn nur sehr, sehr selten gibt; ein Moment, in dem Panik ausbrechen und alles unkontrollierbar werden könnte.
„Fake News“ sind in einem solchen Moment brandgefährlich. Wie das Öl, das ins Feuer gegossen wird. Sie können sich extrem schnell ausbreiten; und zwar ganz besonders dann, wenn sie wirklich furchterregend und vollkommen falsch sind.
Das muss man vorwegschicken: Es soll verdeutlichen, dass Falschmeldungen in sozialen und anderen Medien nicht egal sind. Sondern dass man sich wirklich darum kümmern muss. Aber so? Sicher nicht: Im Kanzleramt ist ein „digitaler Krisenstab“ eingerichtet worden, der sich mit dem Aufspüren und Richtigstellen von Falschinformationen rund um das Coronavirus beschäftigt, wie die APA bzw. ORF.AT (hier) berichtet. Leiter der Stelle ist demnach Gerald Fleischmann, seines Zeichens zuständig für das türkise „Message Control“ bzw. die PR der ÖVP in der Regierung, Vizekabinettchef von Bundeskanzler Sebastian Kurz sowie dessen Mann für Medienpolitik.
All das ist schon für sich genommen „unvereinbar“, wie Grünen-Mediensprecherin Eva Blimlinger im „Standard“ ganz treffend bestätigt hat: Man ist entweder parteipolitisch oder staatspolitisch tätig; man kümmert sich entweder darum, dass bestimmte Botschaften in die Medien kommen oder dass Medien funktionieren können. Sowohl das eine als auch das andere geht nicht. Das ist wie ein Richter, der zugleich auch Ankläger und Verteidiger ist.
Das Problembewusstsein ist in diesem Zusammenhang jedoch nicht sehr ausgeprägt. Im Gegenteil, Fleischmann kümmert sich jetzt eben auch noch um Informationen zum Coronavirus. Hier vervielfachen sich die Interessenskonflikte. Immerhin nützt sein Chef, Sebastian Kurz, die Krise nicht zuletzt auch parteipolitisch und lässt in türkiser Farbe wissen, dass „wir als Republik Österreich ein Team“ seien.
Und dann werden eben auch noch Polizeischüler dafür eingesetzt: Auf die Idee muss man erst einmal kommen. Das hat einen Hauch von Metternich. Gerade weil das so eine sensible Sache ist, überträgt man sie doch keiner solchen Staatsgewalt. Man könnte ja auch den Presserat oder ein paar Wissenschaftler und ihre Studenten einbinden. Das würde dann weniger riechen. Aber das ist ganz offensichtlich zu viel verlangt.
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