ANALYSE. Echte Freiwilligkeit dürfte noch immer nur bei einer Minderheit vorliegen. Und die, bei denen das der Fall ist, erhalten ohnehin schon weniger Sozialleistungen.
Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) erklärt im „Kurier“, eine Vollzeitbeschäftigung attraktiver machen zu wollen. Und zwar durch eine geringere Abgabenbelastung einerseits und einen „treffsichereren Einsatz von Sozialleistungen“ andererseits: „Wenn Menschen freiwillig weniger arbeiten, dann gibt es weniger Grund, Sozialleistungen zu zahlen“, so der Minister in der Tageszeitung. These: Es würde wenig bringen.
Jeder achte Mann und jede zweite Frau, die erwerbstätig sind, arbeiten Teilzeit. Warum sie das tun, kann annäherungsweise gesagt werden. Zum einen über die Teilzeitquote nach Alter sowie Ausführungen der Statistik Austria dazu, die die Daten führt: Bei 20- bis 24-jährigen Frauen und Männern ist die Teilzeitquote vorübergehend größer. Eine Erklärung dafür ist, dass es neben einem Studium durchaus üblich geworden ist, Teilzeit zu arbeiten.
Bei Männern sinkt die Quote in weiterer Folge und bleibt bis etwa 60 ziemlich konstant niedrig. Bei Frauen steigt sie dagegen ab 30 stark auf bis zu 59 Prozent bei 35- bis 39-Jährigen. Das ist das Alter, in dem viele Frauen ein Kind zur Welt bringen.
Bei einer Mikrozensus-Erhebung hat Statistik Austria 2021 nachgefragt, warum eine Teilzeitbeschäftigung vorliegt. 38 Prozent der Frauen gaben die „Betreuung von Kindern oder pflegebedürftigen Erwachsenen“ an. Bei Männern taten dies nur sieben Prozent.
27 Prozent der Frauen und 29 Prozent der Männer erklärten zudem, keine Vollzeitbeschäftigung zu wünschen. Warum das der Fall ist, blieb jedoch offen. Möglich ist vieles. Zum Beispiel: Es ist nur eine Teilzeitbeschäftigung verfügbar (zum Beispiel im Handel), der auch nachgegangen wird, und die im Übrigen als ausreichend bezahlt wahrgenommen wird. Oder aber: Im Sinne der Lebensqualität geht es einfach darum, nicht 38,5 Stunden (Vollzeit) zu arbeiten pro Woche, auch wenn es möglich wäre. Finanzielle Einbußen werden in Kauf genommen. Das wäre dann die Freiwilligkeit, die Kocher wohl meint.
Bei dieser Gruppe wird man durch eine Kürzung von Sozialleistungen aber eher wenig erreichen. Sozialleistungen im weitesten Sinne setzen sich – grob gesprochen – folgendermaßen zusammen: Jeweils etwa knapp ein Zehntel Arbeitslosen- und Familienunterstützungen sowie ein Viertel Gesundheitsversorgung und gut die Hälfte Pensionen.
Arbeitslosengelder kann man Teilzeitbeschäftigten keine kürzen; sie beziehen keine. Familienleistungen wären möglich, sofern Kinder vorhanden sind; dagegen wird aber die Partei etwas einzuwenden haben, für die Kocher in der Regierung ist (die ÖVP). Bei Gesundheitsversorgung ist‘s schwierig und beim größten Brocken, den Pensionen, erübrigt sich die Sache: Wer Teilzeit arbeitetet, den erwartet ohnehin eine niedrigere Pension. Bei Frauen geht das so weit, dass sie über 60 hinaus arbeiten müssen, um ihre Ansprüche aufzubessern: Das durchschnittliche Zugangsalter zur Alterspension beträgt bei ihnen bereits 60,7 und liegt damit über dem gesetzlichen Alter (60).
Und wenn es so weitergeht, könnten Frauen bald länger arbeiten als Männer: Ab 2024 kommt es zu einer Angleichung des gesetzlichen Pensionsalters auf 65. Ab 2028 könnten zwar auch Frauen in die Korridorpension (ab 62), die Wahrscheinlichkeit, dass bei ihnen die dafür nötigen 40 Versicherungsjahre vorliegen, ist aber geringer als bei Männern. Sie gehen im Schnitt mit 63,2 Jahren in Pension.
Zurück zu den Teilzeitbeschäftigten: 2021 ist ihre Zahl sowohl bei Männern als auch bei Frauen leicht gestiegen. Eine Mutmaßung dazu ist, dass es wirklich einen Trend gibt, eine neue Work-Life-Balance zu suchen. „Mehr Leben, weniger arbeiten“, sozusagen. Brutal formuliert könnte sich das aber aufgrund steigender Preise und einem damit einhergehenden Wohlstandsverlust bald wieder erledigen. Immerhin nimmt schon der Anteil all jener Menschen zu, die sich schwertun, selbst bei Vorliegen einer Vollzeitbeschäftigung über die Runden zu kommen.