War’s unter Kurz besser?

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ANALYSE. Die Lage der Demokratie ist schlecht, die Sehnsucht nach einem „starken Führer“ steigt. Bemerkenswert ist jedoch eher, wann die Werte, die das eine wie das andere zum Ausdruck bringen, relativ gut sind.

„Ein ,starker Früher‘ wird erstmals nicht mehrheitlich abgelehnt“, berichtet die Tageszeitung „Die Presse“. Tatsächlich? Es ist insofern korrekt, als es sich allein auf dem Demokratiemonitor bezieht, den das Sozialforschungsinstitut SORA seit 2018 betreibt. Bei den jährlichen Erhebungen dazu haben noch nie so viele der Aussage zugestimmt, dass es einen starken Führer geben sollte, der sich nicht um Parlament und Wahlen kümmern muss. Zuletzt ist das von 47 Prozent zumindest ein wenig unterstützt worden. Während sich umgekehrt nur 46 Prozent dagegengestellt haben, einen starken Führer also klar abgelehnt haben. Von 2018 bis 2021 haben dies immer mehr als 50 Prozent getan.

Was aber sagt das aus? Österreich im freien Fall ins Autoritäre? Vorsicht: 2017 hat SORA eine Befragung zu NS-Geschichtsbewusstsein und autoritären Einstellungen durchgeführt. Damals gab es die gleiche Fragestellung, die Antwortmöglichkeiten unterschieden sich nur insofern, als sie von 1, wie „stimme voll zu“, bis 5, wie „lehne ich völlig ab“, reichten. Ergebnis: 47 tendierten zumindest ein bisschen zu einem starken Führer, nur 45 taten es nicht. Schon damals hätte also der Titel gepasst, dass ein solcher Führer nicht mehr mehrheitlich abgelehnt werde.

Das mag kleinlich klingen. Es hat jedoch einen ernsten Hintergrund. Schaut man sich zum Beispiel auch an, wie sich die Zufriedenheit mit der Demokratie in Österreich entwickelt, stellt man eine deutliche Verschlechterung in der jüngeren Vergangenheit fest. Andererseits aber hat sie sich 2017 und 2018 stark verbessert und entspricht heute „nur“ dem Ausgangsniveau von 2016 (siehe Grafik).

Für die jüngste Verschlechterung gibt es plausible Erklärungen: Zunächst die Coronapolitik mit den Lockdowns und der Impfpflicht. Dann Korruptionsaffären, die mit Politik und Medien tragende Säulen der Demokratie betreffen. Schlimmer: Zum Teil gar keine Bereitschaft, Konsequenzen zu ziehen (verschärfte Anti-Korruptionsbestimmungen lassen etwa auf sich warten).

Was aber ist die Erklärung dafür, dass die Werte 2016 ähnlich übel waren wie heute und dass sie sich zwischendurch verbessert haben? These: 2016, 2017 mögen sich der damalige Kanzler Christian Kern (SPÖ) und der seinerzeitige Vize Reinhold Mitterlehner (ÖVP) um einen Neustart der Regierung bemüht haben, vor allem sogenannte Parteifreunde von Mitterlehner haben dies jedoch blockiert. Möglicherweise hat auch schon die Ära Faymann davor die allgemeine Zufriedenheit getrübt. Fakt ist, es wurde gestritten und der Eindruck befeuert, dass nichts weitergeht.

Ziemlich genau zeitgleich mit dem Aufstieg von Kurz ab Mitte 2017 haben sich die Werte verbessert und sind dann unter der Koalition, die er mit den Freiheitlichen von Heinz-Christian Strache gebildet hat, relativ gut gewesen. Kurz hat einen neuen Stil angekündigt und „Message Control“ ebenso gepflegt wie Symbolpolitik und Inszenierung. Debatten waren unerwünscht. Es herrschte, wenn man so will, eine klare Führung. Insofern lässt es tief blicken, dass die Sehnsucht nach einem starken Führer kleiner und die Zufriedenheit mit der Demokratie größer geworden ist.

Demokratiepflege (z.B. durch einen offenen Diskurs, der Widerspruch nicht nur duldet, sondern sogar wünscht) ist ja eben nicht betrieben worden. Im Gegenteil, einem lästigen Kirchenvertreter ließ Kurz laut Chat-Protokoll ausdrücklich „Vollgas“ geben und die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft versuchte er zu diskreditieren, je unangenehmer sie ihm wurde. Medien, eine vierte Gewalt im Staat, wurden wiederum willkürlich mit Inseraten auf Kosten der Steuerzahler versorgt und so weiter und so fort.

These: Schlimmer als eine geringe Zufriedenheit mit der Demokratie ist hier, wann sie größer ist. Nämlich ausgerechnet dann, wenn ihr wirklich zugesetzt wird.

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