Vollgas

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ANALYSE. Warum die FPÖ „Autofahrerpolitik“ wie in den 1960er Jahren betreiben möchte und die ÖVP nichts dagegen einzuwenden hat.

„Autofahren muss wieder möglich sein“, hat der steirische FPÖ-Chef Mario Kunasek nach Abschluss der Regierungsverhandlungen in Graz gesagt. Ernsthaft. Schon im Wahlkampf hatte er in einem Video gefordert, sich „gemeinsam für unsere Autofahrer“ einzusetzen: Ihnen werde das Leben unnötig schwer gemacht. Also soll jetzt der „Luft-100er“ fallen, der da und dort auf der Südautobahn gilt.

Die Emissionen sind egal. Und zwar so egal, dass auf Initiative des niederösterreichischen FPÖ-Obmannes Udo Landbauer bei den Regierungsverhandlungen über Tempo 150 auf österreichischen Autobahnen geredet wird.

Dafür hatte sich Landbauer zum Beispiel im Dezember ausgesprochen. Anlass: Fiskalratschef Christoph Badelt hatte gemeint, eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 100 km/h würde etwa so viel CO2-Einsprungen bringen wie durch diverse Förderungen erreicht werde. Landbauers Antwort: „Bitte schauen Sie auf die aktuellen Konjunkturzahlen, aber verschonen Sie Autofahrer und fleißige Pendler mit Ihren rückwärtsgerichteten Schneckentempo-Fantasien.“ Und überhaupt: Österreichs Gesamt-CO2-Ausstoß sei im globalen Vergleich gering und das „Einsparungspotenzial stehe in keiner Relation zum Ärger und Ausbremsen aller fleißigen Pendler, pflichtbewussten Familien und beschäftigten Unternehmer“.

Das leitet zum Punkt über, der Freiheitlichen wichtig ist: Gerade in Zeiten multipler Krisen, in denen vieles nicht mehr ist, wie es war, soll wenigstens etwas erhalten werden, was gewohnt und vielleicht auch liebgewonnen ist. Das Autofahren.

Das ist auch eine Erklärung dafür, dass Ex-Kanzler und ÖVP-Chef Karl Nehammer bei einem seiner Versuche, Kickl und Co. Wind aus den Segeln zu nehmen, Österreich als Autoland bezeichnet und ein Hoch auf Verbrennungsmotoren ausgesprochen hat. Da ist es ihm bei weitem nicht nur um Zulieferer und tausende Arbeitsplätze gegangen; oder die Technologie an sich. Relevanter war das Signal an einen erheblichen Teil der Wählerschaft: „Ich sorge schon dafür, dass ihr weiterhin Gas geben könnt.“

Es ist umgekehrt eine Erklärung dafür, dass nicht nur Freiheitliche, sondern auch Schwarze wie die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner Grüne im Allgemeinen und sogenannte Klimakleber im Besonderen zum vermeintlich größten Ärgernis unserer Zeit erklärt haben: Sie standen bzw. stehen für eine Kampfansage an diese Autofahrerwelt, in der es aufgrund der Teuerung und vieler anderer Dinge ohnehin schon mehr als genug Probleme gibt. Da gelten sie erst recht als Zumutung.

Das Auto steht für eine vermeintlich gute, alte Vergangenheit, für angebliche Freiheit sowie Laut- und Stärke, also vieles, womit Populisten gerne arbeiten und es daher auch tun. So können sie Sehnsüchte bedienen.

Gerade jetzt, wo Brot und Spiele, also Ablenkung, aus so vielen Gründen notwendig erscheint. Unter anderem, weil Spritpreise unterm Strich wirklich spürbar teurer werden. Und zwar weil die CO2-Steuer, die zum Jahreswechsel gerade wieder gestiegen ist, ab heuer nicht mehr durch den Klimabonus wettgemacht werden soll. Dieser soll schließlich abgeschafft werden. Selbstverständlich hätte Kickl auch gerne die Steuer gestrichen. Das hat er im Wahlkampf so versprochen: Weg damit! Zur Zeit aber geht sich das nicht aus, weil sonst das Budgetloch noch größer werden würde. Fast verständlich, dass er und seinesgleichen daher Tempo 150 ermöglichen wollen: Irgendwie müssen sie ja darüber hinwegtäuschen.

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